Gefühlt kenne ich die meisten unserer Kunden persönlich“ – diese Aussage einer Filialleiterin einer Bank klingt auf den ersten Blick gewagt. Übertrieben. Doch wer Birga Oelrichs kennenlernt, spürt schnell, dass diese Chefin eher noch untertrieben hat – die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Helgoland hat offiziell 1 329 Einwohner, und die Filiale der Volksbank Stade-Cuxhaven auf der Insel betreut gut 1 000 Kunden. Das lässt Banker vor Begeisterung aufhorchen, denn wer hat schon 75 Prozent seiner Einwohner in der Kundenliste? „Das ist schon eine besondere Filiale für uns“, sagt Ulrich Sievert, Vorstand der Volksbank Stade-Cuxhaven. Beim gemeinsamen Besuch mit dem DEICHLUST-Team auf der Insel wird er auch besonders herzlich empfangen – wie ein Kollege.
„Warum soll ich ihn nicht umarmen? Ich kenne ihn doch schon seit langer Zeit“, sagt die Volksbank-Helgoland-Chefin bei der Begrüßung ihres Chefs vom Festland. „Ich war schon happy auf der Fähre“, gestand Sievert, denn diese Filiale habe einen besonderen Stellenwert: „Sie ist eine Geschäftsstelle mit hohem Symbolwert.“
Von Symbolwert mag Birga Oelrichs weniger sprechen. Für sie ist die kleine Filiale in der Fußgängerzone auf der kleinen Insel ein wesentlicher Teil ihres Lebens. Sie hat dort ihre Ausbildung zur Bankkauffrau gemacht und in diesem Jahr ihr 35. Firmenjubiläum gefeiert. „Die meisten unserer Kunden begleiten mich und ich sie schon ein halbes Leben lang“, sagt sie. Dass sie irgendwann vom ganzen Leben sprechen wird, ist zu erwarten, denn: „Ich will hier nicht weg.“
Hier, das ist die Insel, die aus der rund ein Quadratkilometer großen Hauptinsel sowie der etwa 0,7 km² großen Düne besteht und auf der Bewohner in zwei Kategorien eingeteilt werden: „Helgoländer oder Insulaner“. Insulaner könne jeder werden, Helgoländer aber nicht – die brauchen eine Geburtsurkunde. Doch alle brauchen eine Bank. Entweder die Sparkasse Süd-Holstein oder die Volksbank Stade-Cuxhaven. Dass Ulrich Sievert, mit Sitz in Stade, auch Chef der Helgoländer Bank ist, sorgt immer wieder für Gesprächsstoff bei den Banker-Treffen. Sievert „Ich muss das immer wieder erklären.“
Dabei ist die Erklärung relativ einfach: In den frühen sechziger Jahren habe eine Helgoländerin beim Zugfahren nach Hannover ihrem Sitznachbarn erzählt, wie umständlich sie ihre Geldgeschäfte auf der Insel abwickeln müsse, weil es dort keine Bank gebe. Der Mann war Chef der Volksbank Cuxhaven und sorgte für Abhilfe. Nach der Fusion der Volksbanken Stade und Cuxhaven waren die Stader Banker auch auf Helgoland die Chefs.
Was macht den besonderen Wert dieser Filiale aus? Für Ulrich Sievert ist es ein Beweis für den Genossenschaftsgedanken: „Wir sind dort, wo die Menschen uns brauchen.“ Das sei der Auftrag einer Genossenschaftsbank und unterstreiche die nachhaltige Geschäftspolitik der Volksbank Stade-Cuxhaven. Deshalb stehe diese Filiale auch künftig nicht zur Disposition. Wobei Sievert auch betont: „Auch diese Filiale muss sich rechnen.“
Helgoland. Eine der Besonderheiten der Insel sei, so Birga Oelrichs, dass sie den Touristen trotz ihrer überschaubaren Größe und Einwohnerzahl eine Menge biete. Der Reiz der Insel bestehe nicht nur aus dem attraktiven zollfreien Einkauf, Helgoland habe viel mehr zu bieten. Die Insellage, das Meer und die Natur dienen zum einen als Oase der Entspannung und Entschleunigung, zum anderen gebe es viele kulturelle Freizeitaktivitäten jeglicher Art. „Je nach Saison mit unterschiedlichen Veranstaltungen für Klein und Groß“, sagt die Filial-Chefin, die schwärmt: „Helgoland ist ein Naturparadies mit einzigartigen Erlebnissen wie dem Lummensprung im Juni, unsere Fauna und Flora sowie dem Robbenwatching im Sommer wie im Winter auf unserer Düne.“
Jeder Gast ist willkommen
Der Großteil der Besucher besteht aus Übernachtungsgästen. Hinzu kommen die Tagesgäste. Insgesamt landen rund 300 000 Besucher jährlich auf Helgoland. Während tagsüber Leben auf der Insel herrscht, wird es am Abend eher ruhiger. „Die Ruhe lädt zu einem schönen Abendspaziergang mit einem wunderschönen Sonnenuntergang ein. Die Nachtschwärmer können hier noch den schönen Sternenhimmel beobachten, da es nachts richtig dunkel ist“, erklärt Birga Oelrichs, die aber auch sagt: „So schön Helgoland auch ist, so haben auch wir eine Kehrseite. Für unsere Jugend fehlt zum Beispiel eine Disco oder ein Ort, der ausschließlich für sie bestimmt ist.“ Das sei ein Nachteil für die Insulaner: „Die meisten meiner Bekannten sind auf dem Festland“, sagt die 19-jährige Dilara Atsürer, die als Auszubildende die jüngste im Team der Volksbank Helgoland ist. Sie will irgendwann die Insel zum Studium verlassen, plant aber auch, wieder zurückzukehren: „Wie viele meiner Bekannten.“
Der Dritte im Bunde in der kleinen Filiale ist Marc Peters, der vor 18 Jahren aus Büsum zugezogen ist. Dazu kommen noch zwei besondere „Teammitglieder“: Flint & Basti, die Werbefiguren des „ZahnpiratSparen“ der Volksbank Stade-Cuxhaven. Sie belohnen Kinder mit einer Prämie, wenn diese ihre ausgefallenen Milchzähne in einer der Volksbank-Filialen vorzeigen. Flint & Basti wohnen laut eigenem Steckbrief „im Keller der Volksbank Helgoland.“. Marc Peters führt gerne zu der Piraten-Unterkunft.
Ohnehin gehört die Kommunikation zum Geschäft. „Wer zu uns kommt, hat meist auch etwas zu klönen“, sagt Chefin Birga Oelrichs, mit dem deutlichen Hinweis, dass ihr dies keinesfalls unangenehm sei. Weil es zu Helgoland gehöre. Lokale Nachrichten werden auf einer Insel ohne Zeitung und ohne Digital-News ganz old-school verbreitet. „Wir reden noch miteinander.“
„Manchmal muss ich schon eine halbe Stunde für einen Volksbank-Besuch einräumen“, sagt „Fischerstuben“-Gastronom Angelo Bras. Aber nicht, weil er in einer Warteschlange stehen müsse. Staus kennen sie nicht auf Helgoland.

Text: Wolfgang Stephan · Fotos: Volker Schimkus