„Mein Mann fährt in die Kaserne und ich nach Berlin, damit die Soldaten gut ausgestattet werden.“ Was zu Jahresbeginn noch wie eine Wunschvorstellung klang, ist inzwischen Realität: Nach fast einem halben Jahr im Bundestag arbeitet Vanessa Zobel mitten an den Hebeln der Macht, unter anderem am Gesetz zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr.
Wir treffen die CDU-Bundestagsabgeordnete in ihrem Büro 6246 im Paul-Löbe-Haus, gegenüber dem Kanzleramt. „Ich bin angekommen“, sagt Zobel, die bei der Bundestagswahl am 24. Februar mit deutlichem Vorsprung im Wahlkreis Stade I – Rotenburg II als Direktkandidatin gewählt wurde. „Ich verlaufe mich nicht mehr in den Fluren des Bundestags“, fügt die gelernte Bankkauffrau aus Bremervörde lachend hinzu. Seit dem 14. März ist sie offiziell Mitglied des Deutschen Bundestages – eine von 25 Neuen in der CDU/CSU-Fraktion und mit 37 Jahren eine der jüngeren Abgeordneten. Besonders positiv überrascht habe sie das Miteinander: „Ich dachte, der Bundestag wäre eine Ellenbogengesellschaft. Stattdessen habe ich erlebt, dass selbst ein Alexander Dobrindt als Innenminister uns Neuen seine volle Unterstützung zusichert.“
16-Stunden-Tage in Berlin
Für Vanessa Zobel bedeutete der Schritt nach Berlin eine komplette Neuorientierung. Ihr Lebensrhythmus folgt nun der Faustregel: eine Woche Hauptstadt, eine Woche Heimat, mit Abweichungen, wie etwa im September, wenn drei Sitzungswochen am Stück anstehen. „Mein Berliner Appartement ist im Grunde nur eine Schlafstätte. Von 7 Uhr morgens bis 23 Uhr abends bin ich unterwegs.“
Montags reist sie mit der Bahn nach Berlin, freitags geht es zurück. Ein festes Ritual: „Am Freitagabend sitze ich beim Abendbrot mit meiner Familie.“ Am Wochenende folgen meist Termine im Wahlkreis, bei Festivitäten nicht selten gemeinsam mit einem ihrer beiden Kinder, die sechs und acht Jahre alt sind. „So sehen sie, was Mama macht.“
Wochentags besucht sie Kasernen, Altenheime, Sozialverbände oder Unternehmen, um sich ein Bild von den Problemen vor Ort zu machen. Ende Juli etwa sprach sie mit Bauunternehmer Dirk Viebrock aus Harsefeld, der Zweifel äußerte, ob der geplante Bau Turbo wirklich Wirkung vor Ort zeige. Zobel hörte zu, machte Notizen und versprach: „Ich nehme Ihre Anregungen mit nach Berlin.“
Arbeit zwischen Ausschuss, Fraktion und Öffentlichkeit
In Berlin ist ihr Kalender prall gefüllt: Sitzungen der niedersächsischen Landesgruppe, Arbeitskreise, Ausschüsse, Gespräche mit Lobbyverbänden und Kollegen, dazu intensive Öffentlichkeitsarbeit. Auf Social Media gehört Vanessa Zobel inzwischen zu den aktivsten Abgeordneten ihrer Fraktion.
Auch ihre Kinder hat sie auf ihrer Reise schon mitgenommen: Anfang August besuchten sie das Berliner Appartement und das Abgeordnetenbüro. Dort dominiert Pragmatismus, schlicht eingerichtet, aber mit einem großen Kleiderständer, an dem Blazer in allen Farben hängen. Unterstützt wird sie von sechs Mitarbeitern: vier in Berlin, zwei im Wahlkreisbüro in Stade. Mit Christopher Lawniczak, dem erfahrenen Büroleiter ihres Vorgängers Oliver Grundmann, hat sie einen wichtigen Kenner des politischen Betriebs an ihrer Seite.
Politik zwischen Anspruch und Realität
Schon in den ersten Monaten machte Vanessa Zobel Erfahrungen, wie Politik auch nicht laufen sollte: die gescheiterte Wahl Friedrich Merz’ zum Kanzler im ersten Wahlgang oder die gescheiterte Wahl der Verfassungsrichterin Frauke Brosius-Gersdorf. „Genau das war für mich ein Grund, mich politisch einzumischen“, sagt sie, denn auch in der neuen CDU/CSU/SPD-Koalition sei Uneinigkeit spürbar gewesen. „Obwohl ich die SPD-Kandidatin nicht gut fand, hätte ich sie gewählt, einfach, damit wir deutlich machen, dass wir einen anderen Weg eingeschlagen haben.“
Überraschend war für sie zudem, dass Abgeordnete viele aktuelle Entscheidungen aus den Medien erfahren, etwa den vom Kanzler verfügten Stopp bestimmter Rüstungsexporte nach Israel. „Ich finde das richtig, hätte mir aber gewünscht, dass wir es nicht zuerst aus der Zeitung erfahren.“
Thematische Schwerpunkte
Vanessa Zobel hat sich klare Arbeitsfelder gesucht. Besonders am Herzen liegen ihr die Themen Energie und Wirtschaft. Im Ausschuss für Wirtschaft und Energie ist sie Berichterstatterin ihrer Fraktion für Biogas, Biomethan, Maritime Wirtschaft, Mittelstandsförderung, Start-up-Finanzierung, Games-Branche, Bidirektionales Laden und Maschinenbau & Elektroindustrie sowie Verteidigungswirtschaft. „Biogas, Biomethan und bidirektionales Laden sind keine Schlagworte, sondern Schlüssel für regionale Versorgungssicherheit. Ich will unsere Landwirte mit verlässlichen Rahmenbedingungen unterstützen.“
Als Ehefrau eines Soldaten ist für sie auch das neue Bundeswehrbeschaffungsgesetz ein Herzensanliegen: „Mein Wahlversprechen war, dass unsere Truppe die Ausrüstung bekommt, die sie braucht, um uns zu schützen.“
Darüber hinaus arbeitet Zobel als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Bauen und Wohnen. „Als Ortsbürgermeisterin weiß ich, wie Bürokratie und Förderwirrwarr die Arbeit in Kommunen lähmen. Ich möchte, dass Gemeinden wieder gestalten können.“
Fazit nach sechs Monaten
Wie sie ihr Fazit nach einem halben Jahr Bundestag in einem Satz beschreiben würde: „Ich bin dankbar und froh und freue mich jeden Tag, dass ich auf diese Reise geschickt wurde.“ Ganz Politikerin fordert sie aber einen Nachschlag im DEICHLUST-Gespräch: „Ich bin davon überzeugt, dass wir mit unserer Regierung auf dem richtigen Weg sind und stolz auf unser Land sein können.“

Text & Fotos: Wolfgang Stephan