Airbus in Finkenwerder ist der drittgrößte Luftfahrtstandort der Welt. Wirklich sichtbar war das bislang kaum. Mit dem neuen Dienstleistungszentrum ElbAir bekommt das Unternehmen nun ein repräsentatives Eingangstor in die Airbus-Welt. „Wir öffnen uns unseren Besuchern, Kunden und Nachbarn“, sagt Jutta Herfurth, die das Mammutprojekt auf Airbus-Seite gemanagt hat. Noch vor der Eröffnung am 19. Mai war die DEICHLUST vor Ort.
Mehr als zehn Jahre sind von der ersten Idee bis zur Eröffnung vergangen. „Die Idee eines Besucherzentrums ist uralt“, sagt Jutta Herfurth. „Wir wollten sichtbar werden, einen Ort der Begegnung schaffen für Airbus, für unsere Kunden, für unsere Nachbarschaft.“
Das 1,4 Hektar große Grundstück vor den Toren des Airbus-Werks in Finkenwerder gehörte der Stadt Hamburg. Drei Pächter lebten darauf, als Airbus das Projekt 2014 auf den Weg gebracht und mit einer Machbarkeitsstudie die Chancen und Risiken einer Realisierung ausgelotet hat. Die Projektgesellschaft property team AG erhielt 2015 den Zuschlag, kaufte das Grundstück und baute schließlich das vom Hamburger Architekturbüro Prasch entworfene Gebäude. Auf dem Weg zur ElbAir-Eröffnung mussten Bebauungspläne geändert, Senatsdrucksachen verfasst, städtebauliche Verträge geschlossen, Investoren begeistert, Unterstützer überzeugt und Handwerker bei Laune gehalten werden. Der Denkmalschutz sprach ebenso mit wie Umweltschutzverbände, Nachbarn, Vereine, Bauunternehmen, Banken und der Bezirksbürgermeister. Woche für Woche, Runde für Runde nahm das Projekt Gestalt an – und zwischendrin hat Jutta Herfurth Umzugskisten gepackt. Im Haus eines ehemaligen Pächters des Grundstücks, im Business-Kostüm und mit viel Zeit für ein ehrliches Gespräch. „Am Ende geht es immer darum, bei allen Beteiligten für Begeisterung zu sorgen, um Unterstützung zu bekommen“, sagt Jutta Herfurth.
Phänomenale Aussicht für Flugzeugkäufer
Von oben erinnert der Grundriss des außergewöhnlichen Baus an einen Propeller. Er gliedert sich in drei Bumerang-förmige Komplexe, die über eine große Plaza in der Mitte miteinander verbunden sind. Den östlichen Teil, direkt neben dem bisherigen Airbus-Haupttor, bezieht Airbus. 5.000 Quadratmeter Nutzfläche für den neuen Haupteingang, einen modernen Showroom und Büros.
Airbus-Architektin Doreen Hartwig und Projektleiterin Jutta Herfurth inspizieren mit der DEICHLUST wenige Tage vor der Eröffnung am 19. Mai gemeinsam die vier Etagen. Oben befinden sich die Büros und Meetingräume des Aircraft Delivery Teams und der Kundenbetreuer. Das sind die Menschen im Unternehmen, die die Auslieferungen der Flugzeuge an die Fluggesellschaften bis zur finalen Übergabe begleiten. In der ersten Etage bekommen außerdem die Airline-Kunden selbst Büros, die sie während dieser wichtigen Tage rund um die Auslieferung beziehen. Sind dann alle Verträge unterzeichnet und haben die Millionen den Besitzer gewechselt, geht es zur Vertragsabschlussfeier hoch in die vierte Etage. Der repräsentative Saal bietet Zugang zu einer Dachterrasse mit Blick auf die Start- und Landebahn des Airbus-Airports und das dahinter liegende Werk. Jutta Herfurth tritt ans Geländer und blickt hinüber. „Herrlich, oder?“, sagt sie und lacht. „Hier kommt demnächst nur noch rauf, wer ein Flugzeug kauft.“
Deutlich günstiger gibt es den Kaffee im Erdgeschoss in der Bäckerei Schrader. Wer mag, nimmt auf der Café-Terrasse Platz und beobachtet im Sonnenschein das illustre Treiben. Die Kurzzeitparkplätze vor der Tür erlauben aber auch ein schnelles Stop-and-Go. Für Dolce Vita und ein umfangreiches gastronomisches Angebot sorgt das italienische Restaurant Ciao Bella.
Selten war das Warten auf den Bus schöner
Mit dem ElbAir verstärkt der Flugzeugbauer seine Außenwirkung und verleiht der Marke Airbus Auftrieb. „Es sei bekannt, dass es immer mehr Reisenden wichtig ist, mit welchem Flugzeug sie fliegen“, sagt Christoph Rische, Geschäftsführer der Globetrotter Erlebnis GmbH, die seit langem eine entscheidende Rolle für die Außenwirkung und die Bindung der Endkunden an Airbus spielt. Seit 2004 bietet Globe-trotter Werksführungen in Finkenwerder. Mit dem Umzug in das ElbAir erweitert das Unternehmen sein Angebot für Hamburg-Touristen noch einmal deutlich. Insgesamt hat Globetrotter vier Geschäftsbereiche: Reisebüros, Werksführungen, Firmenevents und Gruppenreisen. Außerdem bezieht das Reisebüro ‚Reiseland Globetrotter‘ neue Räume im ElbAir. Nebenan zieht Yourcockpit ein, der Flugzeug-und Helikoptersimulatoren anbietet.
Von der Haltebucht für Reisebusse führen Schilder zum Besucherinformationszentrum, das auch einen Fanshop mit Airbus-Artikeln beheimatet. Hier finden sich in einer interaktiven Ausstellung viele Informationen rund um das Unternehmen Airbus und seine Produkte. In zwei Kinosälen laufen Filme zur Einstimmung auf die Führung. Anschließend genießen Besucher, die eine Werksführung gebucht haben, in einem gläsernen Saal den Blick auf die Start- und Landebahn, während sie auf den Bus warten, der sie ins Werk bringt. „Da wird es vermutlich keinen Ärger über Wartezeiten geben“, sagt Christoph Rische und grinst.
Airbus(-Flughafen) als Frequenzbringer
„Wenn die Beluga landet oder abhebt, habe ich Gänsehaut“, sagt Kaufmann Roman Krieger, der einen Rewe-Markt in Finkenwerder führt und nun einen zweiten im ElbAir eröffnet. „Die Nähe zum Flugplatz ist überragend.“ Im Eingangsbereich des Vollsortimenters mit Sushi-Bar, Backshop und heißer Theke fliegen Airbus-Flugzeuge unter der Decke, an einem Tower vorbei geht es hinein in den Markt. Für die Obst- und Gemüseabteilung hat der Kaufmann gar den Nachbau einer Beluga in Auftrag gegeben. Die Nähe zur Luftfahrt bedeutet Roman Krieger viel, er erwartet viele Touristen im ElbAir. Ebenso viel Wert legt er auf eine gute Nachbarschaft und ein regionales Angebot. Obst, Säfte und Fleisch kauft er unter anderem bei lokalen Partnern ein.
Das Projekt hat bereits Krisen durchgestanden
Büroflächen, ein Besucherzentrum, ein Fanshop, ein Supermarkt, Gastronomie, ein Reisebüro, ein Hotel und die Geschäftsstelle der Techniker Krankenkasse – der Mietermix im ElbAir könnte kaum vielseitiger sein. „Alle kommen wunderbar ohne einander aus, und doch profitieren sie voneinander. Der kleinste gemeinsame Nenner ist die Verbindung zu Airbus oder zu Finkenwerder“, sagt Torsten Martens, Vorstand der property team AG, die das Projekt als Eigentümer umgesetzt und alle Mieter unter einen Hut – oder besser: ein Dach – gebracht hat. „Der Standort als Eingangstor zu Airbus ist natürlich einmalig.“ Das Gebäude sei entsprechend sehr früh annähernd voll vermietet gewesen. Zugleich sei ein Projekt in dieser Größenordnung und mit diesem zeitlichen Horizont immer auch mit Risiken verbunden. Allein das Bebauungsplanverfahren habe Jahre gedauert, es folgten Corona und der Ukraine-Krieg, niemand wollte mehr investieren. Als alles auf den Weg gebracht war und das Gebäude Gestalt annahm, meldete zu allem Überfluss das mit dem Bau beauftragte Generalunternehmen im vergangenen Frühjahr Insolvenz an. „Das ist so ziemlich das Schlimmste, was passieren kann“, sagt Torsten Martens. Nach vier Monaten Baustopp startete der ElbAir-Bau im Sommer 2024 neu durch. „Entscheidend war, dass alle Mieter zu uns gehalten und den Verzug mitgetragen haben.“
Zielgerade Richtung Eröffnungsfeier
Das ElbAir sei nicht ihr wichtigstes Airbus-Projekt, sagt Jutta Herfurth, „aber das sichtbarste.“ Womöglich auch das anstrengendste. „Wenn ich nicht schon grau gewesen wäre, hätte mir das ElbAir graue Haare beschert. Ich bin schon immer der Typ Macherin gewesen“, sagt sie. „Wenn du’s nicht machst, lernst du’s nicht.“ Es sei wichtig, Erfahrungen zu sammeln – auch und insbesondere die negativen. „Das hat mir hier geholfen“, sagt Jutta Herfurth, als sie auf der Plaza in der Mitte des Dienstleistungszentrums steht. Jetzt, auf der Zielgeraden, drehe sich im Projektteam vieles um das Eröffnungs-Event am 19. Mai, es ist die Krönung ihrer Airbus-Karriere. Ende Juni wird ihr Team der Hamburger Stabstelle sie mit einer Party aus dem Berufsleben verabschieden. Dass sie in den Ruhestand geht, ist bei der Macherin Jutta Herfurth kaum vorstellbar.
„Flughafenhotel“ Moxy by Marriott
Das Drei-Sterne-Hotel Moxy nimmt mit seinen 135 Zimmern den mittleren Gebäudeflügel ein. In der Lobby mit großer Glasfront trifft Industrieloft-Schick auf Lounge-Atmosphäre. Original-Airbus-A380-Fenster zieren den Tresen im Zentrum, in einer Ecke stehen Flugzeugtüren, auf der anderen Seite laden ein Tischkicker und lange Tische zum gemeinsamen Essen, Trinken oder Arbeiten ein. Die Musik ist vielleicht ein wenig lauter als in anderen Hotels. Eine Besonderheit fällt sofort ins Auge: In eine Raumtrennwand im Eingangsbereich wurden drei große Buntglasfenster eingelassen. „Die stammen von der Frau, die an dieser Stelle früher gewohnt hat“, erzählt Jutta Herfurth. Sie habe darauf bestanden, dass die Glasfenster, die ein befreundeter Künstler als Muster für eine Kirche gestaltet und ihr geschenkt habe, im ElbAir wieder zur Geltung kommen. „Eine wunderbare Geschichte“, sagt Hotelmanager Daniel Rubow. „Das passt toll zu unserem Bestreben, eine Begegnungsstätte für die Menschen aus der Region zu werden.“ Für die Menschen in und um Finkenwerder plant das Moxy-Team Afterwork-Events und andere Veranstaltungen. Erste Kontakte zu verschiedenen Anbietern touristischer Formate im Alten Land sind überdies bereits geknüpft. „Natürlich erwarte das Moxy viele Buchungen aus dem Airbus-Umfeld“, sagt Daniel Rubow, „aber wir sind kein Business-Hotel. Bei uns haben alle Gäste eine gute Zeit. Wir wollen ein echter Mehrwert für die gesamte Region sein.“
Welche Zimmer die Kategorie „Planespotter-Premium“ verdienen, verrät der Hotelmanager nicht, aber in der dritten Etage bieten einige Räume gewiss eine gute Aussicht auf die Start- und Landebahn. „Im Grunde sind wir ein Flughafenhotel“, sagt Daniel Rubow.

Text: Leonie Ratje · Fotos: Volker Schimkus