Das SeaBreeze im Hotel Navigare hat eine neue Leitung. Seit Anfang des Jahres führen Timio Elias Berisha und Pierce Warner die Küche – gemeinsam. Eine Doppelspitze, die nicht reibt, sondern greift. Der eine überdreht, der andere entspannt. Der eine laut, der andere leise. „Pierce ist der Ruhepol“, sagt Timio. „Ich bin der, der auch mal nervt.“ Und Sophia Ebers. Sie ist die Dritte im Bunde. Die, die den Gastraum führt. Die, die sagt: „Wir haben den schönsten Job der Welt.“
Ihr Ritual vor jeder Schicht: einmal durchschütteln, beide Füße auf dem Boden. Dann das Mantra: Wir kennen unsere Karte. In- und auswendig. Dann kann uns nichts passieren.
Die drei eint, dass sie ihre Rollen nicht als Position, sondern als Aufgabe verstehen. Sophia Ebers bringt langjährige Erfahrung mit. Nach ihrer Ausbildung im Ringhotel Paulsen in Zeven arbeitete sie in Hamburgs gehobenen Restaurants, wie dem Störtebeker in der Elbphilharmonie. Sie kennt das Haus, kennt das Handwerk, kennt die kleinen, feinen Gesten, mit denen aus Service Gastfreundschaft wird. „Ich gebe meinem Team weiter, dass wir den schönsten Job haben – weil wir Menschen etwas Gutes tun dürfen“, sagt sie. Das ist kein Spruch, sondern gelebte Haltung. Sophia ist auch verantwortlich für die Weinkarte. Jeder Tropfen ist auf die Speisekarte abgestimmt.
Auch in der Küche ist das Team längst mehr als ein Zweckbündnis. „Es war ein Jackpot, dass wir das gemeinsam machen dürfen“, sagt der 26-jährige Timio Berisha. Er ist schon seit drei Jahren im SeaBreeze. Davor arbeitete er u.a. im Ristorante Portonovo. „Pierce und ich, wir verstehen uns nicht nur beruflich – wir funktionieren auch privat.“ Pierce Warner backt Sauerteigbrote, liebt Schmorgerichte, denkt am liebsten in Linien statt in Schleifen. Timio Berisha liebt das Steak und den Fisch, die Arbeit unter Spannung mit der Open Door Policy. Beide verbindet der Wunsch, aus jedem Produkt das Maximum herauszuholen – ohne es zu überhöhen. „Wir brauchen keine zwölf Komponenten“, sagt Berisha. „Wir wollen, dass der Gast schmeckt, was er sieht – und spürt, was er schmeckt.“
Vorspeise: Gelbe Romatomate. Wassermelone. Zitronenvinaigrette. Burattini.
Ein Gericht wie ein Sommertag. Süße trifft Säure. Cremigkeit trifft Frische. Die Tomaten in Scheiben, die Melone in Würfeln. Die Zitrone ganz da, aber nie zu viel. Ein Klecks Burattini in der Mitte. Frühlingsgefühle.
Die Küche ist saisonal, klar, auf den Punkt. Frisches Gemüse statt Effekte. Fleisch von hier. „Wir wollen unsere Region wertschätzen mit all dem, was sie hergibt“, so Timio Berisha. Service und Küche arbeiten dabei eng zusammen. Jeder darf Wünsche äußern, Kritik und Lob anbringen. Alle zwei bis drei Monate soll es eine überarbeitete Karte geben. So haben es die beiden Küchenchefs entschieden. Anschließend werden alle Gerichte von allen durchprobiert, diskutiert, angepasst. „Wir sind überhaupt nicht festgefahren“, sagt Operations Manager Tim Mertz. Nur ein paar Klassiker wurden von der alten Speisekarte übernommen. „Wir wollten Timio und Pierce Spielraum geben – sie haben uns direkt überzeugt.“ Die Gäste reagierten ebenfalls positiv. Die neue Linie ist angekommen.
Hauptgang: Hüfte vom Norland-Rind. Speckbohnen. Pommes fondant. Pfeffer-Cognac-Sauce.
Fleisch, so zart. Kartoffeln, die innen weich und außen gold sind. Bohnen, die knacken. Eine Sauce: Cognac, Sahne, grüner Pfeffer – alles da.
„Wir wollen nicht zwölf Komponenten auf dem Teller“, sagt Berisha. „Wir wollen aus jedem Produkt alles rausholen.“ Der Gast soll: schmecken. Spüren. Riechen. Das ist ihr Credo. Das SeaBreeze liegt im Souterrain des Hotels Navigare, unter alten Ziegeln, zwischen Rundbögen und warmem Licht. Der Blick geht durchs Fenster in die Küche, wo Bewegung herrscht, aber keine Hektik.
Dessert: Belgische Waffel. Holunderblüteneis. Frische Früchte.
Waffeln, außen gold, innen weich. Dazu Eis – selbstgemacht. Holunderblüte, Sahne, Milch, Sirup. Ein süßer Abschluss, der nichts aufdrängt. Und trotzdem bleibt. Es ist ein Dessert, das an Kindheit erinnert, ohne verspielt zu sein.
Sophia Ebers kennt das Navigare. Sie war schon mal hier. Jetzt ist sie zurück – als Serviceleiterin. Und sagt: „Ich hatte jetzt schon viele Gäste, die ich noch von früher kenne, die nach Jahren ebenfalls wiederkamen.“ Vielleicht wegen der Ruhe. Vielleicht wegen des Lichts. Wahrscheinlich wegen des Essens. Sicher auch: ihretwegen. Sie lebt das, was sie tut. Gibt das weiter. „Wir haben immer ein offenes Ohr. Gäste kommen mit Erwartungen. Wir wollen sie erfüllen.“ Ihr Team begleitet sie durch jeden Abend – nicht steif, sondern aufmerksam, mit echtem Interesse. Ihr Anspruch: Professionalität, Klarheit, Nähe.
Die Rollen sind klar verteilt – und trotzdem ist es ein Miteinander auf Augenhöhe. Die Serviceleitung kennt die Küche. Die Küche hört auf den Gastraum. Die Entscheidungen entstehen im Dialog. „Bei uns spielt Ego keine Rolle“, sagt Pierce. Er arbeitete zuvor u. a. im [M]Eatery in Hamburg.. „Wir stimmen uns ab. Wir hören einander zu.“ Und Timio Berisha ergänzt: „Wir sind ein junges Team mit vielen kreativen Ideen – ich denke, das merkt der Gast.“
Das alles funktioniert nur, weil Raimund Schied, als Geschäftsführer, seinen Profis freie Hand lässt. Tim Mertz: „Wir hatten keine Angst vor dieser Art, der auch für uns neuen Besetzung der Küchenleitung. Wir wussten, was sie können.“ Und: „Es macht Spaß, ihnen zuzuschauen.“ Gut, dass da dieses Fenster im Gastraum ist, durch das der Gast genau das sehen kann.

Text: Mona Adams · Fotos: Volker Schimkus