Es sind neben Viebrock die klangvollen Namen mit Strahlkraft in der Region: Hancken, Mohr, Stackmann. Vier Leuchtturm-Unternehmen, die im Norden eine Rolle spielen. Vier Familienunternehmen, die eine geräuschlose Unternehmensnachfolge geregelt haben. Bei Viebrock, längst mit dem großen Schnitt, bei den drei anderen Unternehmen etwas differenzierter. Aber mit einer klaren Perspektive. Grund genug für die DEICHLUST, die jungen Manager an einen Tisch zu bringen.
Alle drei Jungunternehmer haben etwas gemeinsam: Sie sind die Söhne des Gesellschafters und sind jeweils zu dem Vater als weiterer Gesellschafter und Geschäftsführer ins Unternehmen eingetreten. Der 33-Jährige Constantin Hancken vor gut einem Jahr in die Klinik Dr. Hancken in Stade, Julius Mohr als damals 27-Jähriger im Frühjahr 2023 ins Modehaus Mohr in Dollern, wie auch der jetzt 37-Jährige Fabian Stackmann bereits 2019 ins Modehauses Stackmann in Buxtehude. Zum Interview im Konferenzraum der Klinik Hancken begrüßte Constantin Hancken mit Julius Mohr einen Bekannten aus Schulzeiten, beide trennten drei Jahre am Athenaeum in Stade, während er Fabian Stackmann nur nach dem Familiennamen kannte. Nach einer Stunde mit DEICHLUST-Chefredakteur Wolfgang Stephan luden sie sich gegenseitig zum Kaffee in ihr Unternehmen ein.
So eine Unternehmensnachfolge ist laut Institut für Mittelstandsforschung wie eine Operation am offenen Herzen, fangen wir doch mit dem Klinikchef an. Trifft diese Metapher?
Constantin Hancken: Eher nicht, so viel Spannung oder Adrenalin habe ich in dem einem Jahr mit meinem Vater noch nicht empfunden. Wobei es vielleicht eine Parallele gibt, auch wir sind im Zusammenspiel sehr gut im Flow, das läuft bei uns sehr präzise ab, wie bei einer Herz-OP, wenngleich ich so eine Wortwahl nicht wählen würde.
Julius Mohr: Also mit einer Herz-OP würde ich das nicht vergleichen, das klingt doch sehr dramatisch. Aber wenn Sie schon einen medizinischen Begriff verwenden, dann würde ich das eher mit einem Minimal-Invasiven-Eingriff vergleichen. Total normal.
Fabian Stackmann: Die Unternehmensnachfolge ist ein sehr wichtiger Schritt für alle Beteiligten im Unternehmen und die Familie, schwierig war es bei uns aber nicht. Ich glaube, dass die langfristige Vorbereitung für so eine große Entscheidung sehr wichtig ist, damit der Stress einer Herz-Operation nicht entstehen kann. Es braucht eine klare Regelung der Kompetenzen, Erwartungen und die Festlegung der Verantwortungsbereiche.
Constantin Hancken: Ich bin für Kommunikation, Personal, Strategie, Controlling und Marketing zuständig, das habe ich auch studiert, während mein Vater für die medizinischen Arbeitsbereiche zuständig ist und auch unseren Neubau managt, wofür ich ihm sehr dankbar bin.
Julius Mohr: Grundsätzlich arbeite ich eng mit meinen Eltern zusammen, neben dem Vater ist auch meine Mutter im Haus operativ tätig. Ich bin für den kaufmännischen Bereich, die Verwaltung, die Aus- und Weiterbildung und das Marketing zuständig, habe aber auch mit der Herrenabteilung einen Einkaufs- und Verkaufsbereich auf Unternehmensleitungsebene übernommen, weil es mir wichtig war, auch in unserem Kerngeschäft der Mode und den anderen schönen Dingen die operativen Abläufe zu kennen.
Fabian Stackmann: Bei mir war es etwas anders, ich bin tatsächlich gleich mit der Verantwortung für das gesamte Unternehmen gestartet. Mein Vater hat diesen Übergang fast radikal vollzogen und ist nach meinem Eintritt gleich am ersten Tag für acht Wochen in den Urlaub geflogen. Das war auch symbolisch für das gesamte Team wichtig.
War Dieter Stackmann dann raus aus dem operativen Geschäft?
Fabian Stackmann: Nein, er ist immer noch dabei und hat auch Warenbereiche, die er weiterhin betreut. Er ist auch für mich weiterhin mein wichtigster Berater und entsprechend regelmäßig im Büro.
Und wenn ich bei Stackmann frage, wer hier die Chef ist, müsste ich demnach seit knapp fünf Jahren den Namen Fabian Stackmann hören?
Fabian Stackmann: Davon gehe ich aus.
Wie wird mir diese Frage in der Klinik Hancken beantwortet?
Constantin Hancken: Da werden beide Namen fallen. Wobei mein Vater natürlich eine Institution im Haus und in der Region ist. Dementsprechend hat er die herausragende Rolle, aber bei den Beschäftigten ist das schon angekommen, dass wir beide die Klinik führen. Gerade jetzt, wo er im Urlaub ist, bin ich der Ansprechpartner für alle. Für die Mitarbeiter ist viel wichtiger, dass der Generationswechsel eingeleitet ist und die Klinik weiter ein familiengeführtes Unternehmen bleibt.
Julius Mohr: Wir sind zu dritt. Ich wüsste jetzt nicht, warum die Frage gestellt werden sollte, aber wenn, dann käme als Antwort: die Familie Mohr.
Wie war und ist das mit der Anrede: Da kommt plötzlich ein neuer Chef, den einige der Beschäftigten schon als Kind kannten. Weil sie mit den Eltern und Großeltern im Betrieb waren oder sogar, wie bei Stackmann und Mohr, in den Ferien in den Modehäusern gejobbt hatten. Dürfen die weiter Du sagen?
Fabian Stackmann: Ich habe neben der Schule einige Jahre bei uns im Haus gearbeitet und kannte bei meinem Eintritt viele, denen ich es selbst überlassen habe, wie sie mich ansprechen. Mit den Führungskräften und einigen anderen, die ich schon aus Kindertagen kenne, duze ich mich. Im Unternehmen haben wir uns noch nicht für das generelle Du entschieden, und ich spüre den Drang dazu noch nicht im ganzen Team. Manchmal ist sogar eine gewisse Distanz gewünscht, und mich sprechen einige mit denen ich per Du war, jetzt mit Herr Stackmann an. Ich möchte nichts erzwingen und die Freiheit geben.
Julius Mohr: Auch ich kenne unser Haus seit früher Kindheit. Für viele unserer Beschäftigten war ich „der Julius“, das Du war ganz selbstverständlich. Als ich dann gestartet bin, war das natürlich ein Thema für mich. Da es mir aber auch völlig fremd wäre, wenn ich jemanden in meinem Alter sieze – das würde ich gar nicht über die Lippen bringen – habe ich mich für eine generelle Anrede per Du entschieden und allen Beschäftigten gleich am ersten Tag pauschal das Du angeboten, was grundlegend angenommen wurde. Bis auf wenige Ausnahmen werde ich geduzt. Ich bin happy, dass ich mich so entschieden habe.
Constantin Hancken: Im Gesundheitswesen ist die Situation etwas anders. Ich weiß aus meiner Beratungstätigkeit, dass in den Kliniken meist noch die Sie-Form die gängige Anrede ist, was auch durch die medizinischen Hierarchien begründet sein dürfte. Insofern werde ich im Haus vom allergrößten Teil gesiezt, zumal es für mich – im Gegensatz zu Fabian und Julius – im heimischen Unternehmen keine Arbeit für Schüler gab. Mit einigen wenigen, die mich als Kind kannten, duze ich mich natürlich weiter. Auch bei uns im Haus spüre ich nicht unbedingt den Drang zur allgemeinen Duz-Kultur.
Vätern und Söhnen wird allgemein nicht immer das beste Verhältnis bescheinigt. Nur zehn Prozent der Söhne betrachten nach einer Expertise im „Psychologie Journal“ die Beziehung zu ihren Vätern als eng und befriedigend. Vermutlich gehören Sie zu den zehn Prozent, denn sonst hätten Sie sich nicht für die Nachfolge entschieden. War das schon immer klar, dass Sie die Nachfolge eintreten?
Fabian Stackmann: Bei mir lange Zeit nicht, und so ist glücklicherweise auch kein Druck entstanden. Gut, ich habe BWL studiert, insofern war das nicht hinderlich, aber bis ins höhere Semester war der Einstig ins Unternehmen völlig offen. Emotional hatte mich ein Gespräch mit meinem Opa kurz vor seinem Tod sehr berührt, als er mich fragte, ob ich mir die Nachfolge vorstellen könne. Ich habe dann gemeinsam mit meinen Eltern einen Plan entworfen, aber immer noch unter dem Vorbehalt, dass ich auch Nein sagen könnte, ohne unser Verhältnis zu belasten. Ohne Zwang war das für mich der richtige Weg, und dafür bin ich sehr dankbar.
Julius Mohr: Das war bei mir ganz ähnlich, es gab nie einen Zwang. Meine Eltern haben mir auch nie irgendwie förmlich die Nachfolge angeboten. Also gab es nie einen Druck. Aber weil ich in diesem Familienunternehmen aufgewachsen bin, war ich immer kaufmännisch interessiert, deshalb war es auch naheliegend, mich für ein Betriebswirtschaftsstudium zu entscheiden. Während mein Bruder sich für Medizin entschieden hat, war mir schon lange klar, dass ich dieses Unternehmen einmal führen möchte. Der Gedanke hatte schon in Schulzeiten lange in mir geschlummert, was ich aber nicht unbedingt meinen Eltern gesagt hatte.
Constantin Hancken: Ich sehe da viele Parallelitäten, auch mir wurde die Entscheidung völlig offen gelassen. Auch ich habe BWL studiert, meine Schwester Medizin. Spätestens als ich nach dem Master-Studiengang noch ein Jahr Gesundheitsökonomie angeschlossen habe, war mir klar, dass ich in diese Richtung gehen werde. Fünf Jahre war ich bei einer Beratungsfirma, die sich auf Kliniken spezialisiert hatte, dann kam irgendwann der Punkt, um zu entscheiden, wohin mein Weg führt. Wobei mir während meiner Beratungstätigkeit immer klarer wurde, dass ich gerne selbst operativ tätig sein möchte, und da war der Schritt ins Familienunternehmen nicht mehr groß.
Das war dann aber schon eine Familien-Party, als Ihr den Eltern die Entscheidung verkündet hattet?
Fabian Stackmann: Definitiv. Da wurde eine Flasche Champagner geöffnet. Das war ein sehr emotionaler Moment für uns.
Julius Mohr: So war es bei mir auch, auch bei uns wurde auf die Entscheidung angestoßen.
Constantin Hancken: Eigentlich haben wir nicht groß gefeiert. Das war ein ganz natürlicher Prozess, wobei sich auch meine Großeltern natürlich sehr gefreut haben.
Ganz praktisch: Bei einem neuen Job muss es Gehaltsverhandlungen geben. Wie laufen die zwischen Vater und Sohn ab?
Fabian Stackmann: Mein Vater hatte mir einen Vorschlag gemacht, und ich habe akzeptiert. Es gab keine Verhandlungen für den gemeinsamen Weg.
Constantin Hancken: Bei mir war das auch kein großes Thema, wichtiger war für mich erst einmal, in unserem Familienunternehmen anzukommen und meinen Beitrag für den Weiterbestand zu leisten.
Julius Mohr: Na ja, wenn man ein Unternehmen übernimmt, beschäftigt man sich natürlich mit der finanziellen Situation. Das war für mich relevanter als das Gehalt. Wenn das Unternehmen gute Geschäfte macht, profitierte ich als Mitinhaber, insofern ist die Bilanz wichtiger als das Gehalt.
Wie läuft die Kommunikation mit dem Vater, gibt es da feste Meetings?
Fabian Stackmann: Klar, wir blocken die im Terminkalender jede Woche, sonst wäre das nicht möglich. Wir treffen uns in der Geschäftsführung mindestens für 90 Minuten, es kann aber auch länger gehen. Das ist eine Mischung zwischen Update, Austausch und Entscheidungsfindung. Im Unterschied zu Julius und Constantin ist mein Vater nicht mehr täglich im Haus.
Constantin Hancken: Wir haben auch einen fixen Termin in der Woche, sehen uns aber natürlich öfter und diskutieren dann auch anstehende Probleme.
Julius Mohr: Bei uns gibt es einen regelmäßigen Jourfixe mit meinen Eltern, aber weil wir die Büros Tür an Tür haben, wird vieles zwischen den Türen besprochen und geregelt.
Wer trifft die letzte Entscheidung bei einem strittigen Thema?
Fabian Stackmann: Die Patt-Situation gibt es nicht, weil wir alles gemeinsam diskutieren. Das letzte Wort liegt in meiner Verantwortung.
Constantin Hancken: Auch bei uns ist der Austausch groß, auch wir diskutieren viel. Nach meiner Schätzung sind wir bei 80 Prozent aller Themen einer Meinung. Beim Rest versuchen wir auf einen Nenner zu kommen, den wir beide akzeptieren, was bisher immer geklappt hat.
Julius Mohr: Wir haben häufig eine ähnliche Auffassung. Wenn nicht, dann probieren wir verschiedene Lösungen aus. Wir haben schließlich den Luxus, dass wir niemanden haben, der uns sagt, was wir tun müssen. Bisher gab es keine strittigen Fälle, sollte es die geben, wären wir bei der Entscheidung zu dritt, was dann gut wäre, um eine Mehrheit zu bekommen.
Das Unternehmen zu übernehmen ist eine Entscheidung, die andere ist, von der Großstadt zurück in die Region zu gehen. Buxtehude, Stade, Dollern sind ja jeweils nicht gerade der Nabel der Welt. Wie schwer ist Ihnen das gefallen?
Constantin Hancken: Na ja, ich habe in Berlin und Hamburg studiert, aber ich bin in Stade aufgewachsen und kenne und schätze aus dieser Erfahrung die schönen Seiten unserer Stadt. Aber ja, es ist schon gut, dass Stade in der Metropolregion und damit in der Nähe einer Großstadt wie Hamburg liegt.
Julius Mohr: Wir leben in einer schönen Region, und durch die Nähe zu Hamburg fühlt sich das nie provinziell an. Für mich war das kein Thema.
Fabian Stackmann: Das war definitiv ein wichtiges Thema, bei dem meine damalige Freundin und spätere Frau auch betroffen war. Es ging bei dieser Entscheidung also nicht nur um mich. Letztlich eine Entscheidung fürs Leben, und beides war miteinander eng verknüpft. Nach Hamburg zu ziehen war eine Überlegung, aber wir sind heute sehr glücklich, im Alten Land zu wohnen.
Text: Wolfgang Stephan · Fotos: Volker Schimkus