Kai Seefried, Landrat im Landkreis Stade
Kai Seefried, Landrat im Landkreis Stade

Rastlos im Kreis

Ein Tag mit Landrat Kai Seefried – am Ende geht es mit dem VW Up zum Kuss im Bett

Text & Fotos: Wolfgang Stephan

Es ist 22.13 Uhr. Aus der Tiefgarage am Stader Kreishaus braust ein VW Up. Am Steuer ein gutgelaunter Mitvierziger im weißen Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln. Er muss sich beeilen, denn zuhause erwartet ihn noch einer der angenehmsten Termine des Tages. Dass er schon sieben Termine hinter sich hat, ist für Kai Seefried kein Grund zur Klage. Irgendwie waren die alle angenehm. Jedenfalls für einen, der seit genau einem Jahr als Landrat gewählt ist. Viele seiner politischen Freunde wundern sich immer noch, dass er diesen Job macht, denn Kai Seefried war politisch schon in anderen Gefilden unterwegs.  Aber auch glücklich?

Für den Journalisten ist es ein Glückstag. Der Tag von Kai Seefried im Kreishaus beginnt erst um 7.30 Uhr. Es hätte auch eine Stunde früher sein können, aber die ersten Mails hatte er schon im Eigenheim in Assel abgearbeitet. Nichts Besonderes. Alltag.

Aber an diesem ersten Tag nach seinem Urlaub will er noch Töchterchen Marie zum ersten Schultag in der vierten Klasse beim Frühstück die besten Wünsche mit auf den Weg geben. „Tschüss Papa, bis heute Abend.“ „Kann spät werden“, die Kleine weiß das.

7.30 Uhr im Kreishaus. Das Büro hat er von seinem Vorgänger Michael Roesberg übernommen, funktional, ohne jeden Prunk oder Statussymbole der Macht. Einzig ein rotes, nicht angeschlossenes Telefon aus fernen Zeiten deutet an, dass hier der mächtigste Beamte des Landkreises wirkt.

Was liegt an? Die Frage geht an seinen Pressesprecher Daniel Benecke, der jeden Morgen der erste Ansprechpartner des Landrates und von Seefried hochgeschätzt ist. Seefried hat keinen persönlichen Referenten, den er eigentlich gut gebrauchen könnte, aber er hat Benecke. Sind die Einladungen für das Goldap-Jubiläum raus? Wer wird eingeladen? Nein, bitte alle Kreistagsabgeordneten und nicht nur die Fraktionsvorsitzenden einladen. Hast du den Tweet auf Instagram zur Großbaustelle am Elbdeich gesehen? Der heutige TAGEBLATT-Report ist positiv, da steht nichts vom Chaos. „Ja, aber die haben den Verkehr in den Ferien beobachtet, eine Woche später sieht das anders aus.“ Es sind kurze Dialoge, die Herren duzen sich. Später kommt noch Nina Dede mit in die Runde, auch aus der Pressestelle, die zusammen mit Christian Schmidt aus drei Journalisten besteht, was als ein Merkmal des neuen Stils im Kreishaus interpretiert werden kann, eine weitere vierte Stelle für den Bereich Internet  ist genehmigt, aber noch nicht besetzt. „Kommunikation“, der Austausch intern mit den Beschäftigten, aber vor allem der Austausch mit den Menschen im Kreis stand ganz oben auf der Agenda des Wahlkämpfers Kai Seefried, der nach einem Bilderbuch-Wahlkampf am 12. September vergangenen Jahres mit 56 Prozent der Stimmen als Landrat gewählt wurde. Sein Amt trat er zwar erst am 1. November an, aber seit diesem 12. September denkt er als Landrat. Die wenig überraschende Antwort auf die Standardfrage, ob es einen Moment gegeben habe, an dem er seine Entscheidung bereut habe: „Nie.“

Die Entscheidung war der Verzicht auf das Landtagsmandat als CDU-Abgeordneter und den Job als Generalsekretär seiner Partei in Niedersachsen, üblicherweise der Steigbügelhalter für eine höhere Aufgabe in einer Regierung. Die Frage nach der Motivation fällt Seefried nach dem ersten Jahr leicht: „Weil ich hier mehr gestalten kann.“  

Vermutlich auch, weil er hier direkter an den Menschen ist. Kai Seefried ist ein Menschenfreund, einer, der immer freundlich ist, aber sich dennoch eine gewisse Distanz bewahrt. Kein Oma-Knutscher, was viele Bürgermeister bei Jubiläen verkörpern. Seefrieds Freundlichkeit ergibt sich aus der zweiten Tugend, die er sich neben der Verbesserung der Kommunikation bei seinem Amtsantritt auf die Agenda geschrieben hat: „Wertschätzung“. Jeder seiner über 900 Beschäftigten in der Kreisverwaltung soll spüren, dass er geachtet wird. Was aber nicht nur ein Akt der Freundlichkeit ist. Seefried hat das Tempo in der Behörde verschärft, was einerseits den Krisensituationen geschuldet ist, andererseits aber auch der Rastlosigkeit des Chefs entspricht. „Eigentlich wollte ich mit meinen im Wahlkampf versprochenen Zielen weiter sein“, sagt er selbstkritisch bei unserer Fahrt im 5er-Dienst-BMW der Kreisverwaltung nach Hamburg.

Zuvor hat Seefried nach der morgendlichen Lage mit der Pressestelle um 8.15 Uhr eine Sitzung des Kreditausschusses der Kreissparkasse absolviert, deren Verwaltungsratsvorsitzender er ist,  und um 10 Uhr zu einer internen Kreishausrunde zum Thema Energiesparen geladen. Von 11.30 Uhr bis 14 Uhr arbeitete er einen Teil des im Urlaub angefallenen Schriftverkehrs am Schreibtisch ab, bevor er im Staatsarchiv bei der Verabschiedung der langjährigen Chefin Dr. Beate Fiedler als Ehrengast in der ersten Reihe saß. Es war für ihn aber auch ein kurzer Moment der Entspannung, da er selbst kein Grußwort sprechen musste.

Um 15.30 Uhr steht der Dienstwagen vor der Tür. Abfahrt zu einem Termin in der Hamburger Bürgerschaft im Rathaus, die Jorker CDU-Fraktion ist von der CDU-Bürgerschaftsfraktion eingeladen. Weil es um Themen wie Verschlickung der Elbe, Hahnöfersand, Deicherhöhung gehen soll, sind Seefried und der Jorker Bürgermeister Matthias Riel mit an Bord. Während der Fahrt macht Seefried das, was er immer im Dienstwagen des Landkreises macht: Er arbeitet mit dem Laptop auf den Beinen, telefoniert und schreibt seine Botschaften mit dem Handy für seine Social-Media-Kanäle Facebook und Instagram. Dass er im Hamburger Rathaus weilt, wissen seine 1500 Follower fast in Echtzeit.

Bei einem CDU-Termin zu sein, ist den Themen geschuldet: 

„Wenn die SPD mich eingeladen hätte, wäre ich auch dabei gewesen.“  

Kai Seefried, Landrat im Landkreis Stade

Seit seiner Wahl hält er sich in der Kreis-CDU zurück, hat alle Ämter abgegeben, aber nicht den Draht nach Hannover gekappt. Seefried ist als Präsidiumsmitglied weiterhin in führender Rolle in der Landes-CDU dabei, Wirtschaftsminister Bernd Althusmann ist sein erster Ansprechpartner, bester politischer Freund und Ratgeber.

Der Termin in Hamburg ist mau und schön zugleich. Mau, da für die politische Diskussion und das Abstimmen konkreter Themen nicht ausreichend Zeit vorhanden ist, weil die Gastgeber der CDU für die politische Diskussion keine Zeit eingeplant hatten, dafür aber war die Besichtigung des Hamburger Rathauses interessant und die anschließende Runde im hippen Szenelokal am Alten Wall angesichts des Snacks bei sommerlichen Temperaturen angenehm. „Müsste ich mal wieder mit meiner Frau hin“, so das Fazit des politisch wenig ergiebigen Termins in der Hansestadt. Immerhin habe er beim Essen ein paar Gespräche führen und Themen abstimmen können. Immerhin. Aber eigentlich nicht das, was ein Kai Seefried in vier Stunden Arbeitszeit ansonsten schaffen möchte.

Auf der Rückfahrt kommen wir zur Bilanz seiner bisherigen Amtszeit: 18.000 unbearbeitete Vorgänge hatte er bei seinem Amtsantritt in der Führerscheinstelle vorgefunden, die Wartezeit hatte bis zu vier Monaten betragen. 

Noch ist nicht alles gelöst und auch nicht zu meiner Zufriedenheit, aber ganz viel. 

Kai Seefried, Landrat im Landkreis Stade

Die Führung wurde ausgetauscht, neues Personal auch mittels Quereinsteiger verpflichtet. Zwei Drittel aller Altfälle sind abgearbeitet. Per Internet macht Daniel Benecke live den Stresstest. Wie lange dauert es bis zu einem Termin? „Online gebucht, morgen früh.“ Seefried lächelt. Dieses Problem hat er mindestens im Griff, ein weiteres dauert an.

Das Personal ist eines der großen Probleme, wie überall im Lande fehlt es an qualifizierten Bewerbern. Auf den derzeit gut 830 Vollzeitstellen arbeiten über 900 Beschäftigte bei der Kreisverwaltung, 120 Vollzeitstellen sind unbesetzt – vom Straßenwärter bis zur Verwaltungskraft.

Dass er noch so viel an ungelösten Zielen auf der Agenda hat, liegt an den Krisen: Erst musste er sich noch mit dem Problem der Corona-Impfungen und der Pandemie insgesamt herumschlagen; als das gelöst war, begann der Krieg in der Ukraine. Wieder musste er schnell handeln, eine große Notunterkunft in wenigen Tagen realisieren und für bis jetzt 2.600 Flüchtlingen aus der Ukraine ein Leben im Landkreis organisieren. Dass dies alles klappt, hängt für ihn auch mit der freundschaftlichen Zusammenarbeit unter den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern im ganzen Landkreis zusammen. Die schweren Krisen haben ihn einerseits bei seiner Zielplanung zurückgeworfen, andererseits ist die neue Realität eine Bestätigung seines Tuns: Schnell entscheiden, schnell umsetzen.

Eigentlich wäre jetzt um 20 Uhr der Arbeitstag zu Ende. Wir sind auf der Rückfahrt, laut Navigation kommen wir um 20.42 Uhr an. In Fredenbeck. Gasthof zur Eiche. David McAllister ist in den letzten Zügen seiner Rede. Den Überraschungsgast begrüßt er sofort noch vom Podium aus, die anwesenden CDU-Mitglieder applaudieren. Beim Bier danach plaudern McAllister und Seefried locker über Gott und die Welt. Nicht über Politik. Wie zwei alte Freunde beim Wiedersehen.

20.45 Uhr: McAllister in Fredenbeck
20.45 Uhr: McAllister in Fredenbeck

Um kurz vor 22 Uhr blickt Seefried auf die Uhr: „Wir müssen los.“ In Assel wartet Töchterchen Marie auf den Gute-Nacht-Kuss. Danach müssen nur noch 21 Mails beantwortet werden.

Deichlust