Vom OP-Tisch an den Küchentisch: Die Neurochirurgin Annabella Hogg aus dem Alten Land hat ein Kochbuch herausgebracht.

Jede Woche donnerstags schmiert Annabella Hogg stolzen 27.000 Menschen eine Stulle. Mal ein mediterranes Crostini mit Hähnchen, Tomate und Oliven, mal ein überbackenes Baguette mit Pflaumen, Brombeeren, Kräutern und Käse. Jede Woche lässt sie sich etwas Neues einfallen. Das macht sie für ihre Instagram-Community. Denn auch wenn sie das Wort nicht mag: Die 51 Jahre alte Chirurgin ist Influencerin. Sie liebt es,  Menschen mit guter Küche und gesunder Ernährung zu inspirieren. Das zeigt die Altländerin auch in ihrem neuen Kochbuch „Brot & Stulle“.

Die digitale Welt ist manchmal sonderbar. Da gibt es diese Influencer, die filmen und fotografieren sich in Alltagssituationen. Sie zeigen ihre „Daily Make-up Routine“, zu deutsch: wie sie sich schminken, was sie gerade wo essen und mit wem. Sie wippen mit ihrem rechten Fuß immer nach hinten, wenn sie ihr Outfit des Tages („Get the Look“) zeigen und rennen dabei gerne über Straßen („Street Style“). Ihre Empfehlungen und Inhalte haben oftmals eine starke Wirkung auf ihre Zielgruppe, weshalb sie in Marketingstrategien zunehmend eine wichtige Rolle spielen. Ihre Währung ist die Anzahl der Menschen, die ihnen folgen – also ihre Follower.  Annabella Hogg hat etwa 26.900 Follower auf ihrem Instagram-Account @von_tisch_zu_tisch. Mit aktuell 1207 mal mehr mal weniger aufwendigen Beiträgen hat sie sich ihre Anhänger erarbeitet. Instagram ist Arbeit. Sie verdient durch Kooperationen auch mal Geld, es kostet aber vor allem viel Zeit. Warum sie das macht? Die Neurochirurgin und Mama von drei Kindern hat bei weitem keine  Langeweile. „Ich möchte zu guter Küche inspirieren“, sagt sie. Denn mit Sorge sieht die Ärztin, wie schlecht und fettreich viele Menschen essen. „Wir haben heutzutage so eine gute medizinische Versorgung. Mit falscher Ernährung machen wir uns den Vorteil kaputt. Das Risiko für Krankheiten steigt“, sagt sie. Ihre Stullen sind die Prävention. Nicht einfach mit Salami oder Käse. Lieber mit viel frischem Gemüse und auch mal Obst. Baguette mit Fenchel-Aprikosen-Salat, Weißbrot Ceasar-Style, Graubrot mit gegrillten Tomaten und Baba Ganoush, Schwarzbrot mit Rote-Bete-Hummus und geröstetem Apfel. Oft sind ihre Stullen inspiriert von dem, was ihr Garten im Alten Land so hergibt.

„Sich gesund zu ernähren, ist nicht schwer.“

Sie weiß um die Probleme: wenig Zeit, keine Erfahrung. Auch sie habe sich in jungen Jahren als Vollzeit-Chirurgin schlecht ernährt. Mit der Geburt ihrer Kinder und der Halbtagsarbeit begann sie zu kochen. Vorzugsweise Lasagne. Dreimal die Woche. „Koch doch mal was anderes“, hieß es dann. Also kochte sie mal was anderes. Und begann ihre Brote immer ausgefallener zu belegen. Viele Brote. Und dann kam Instagram dazu. Sie fotografierte ihre Kreationen und stellte sie ins Internet. Aber wie viele Stullen kann sie schon schmieren? Es war eine Wette mit einer Freundin, und irgendwie auch mit sich selbst. Jede Woche eine Stulle. Ihre schönen Fotos und Videos gefielen den Menschen. Immer mehr Menschen. Also machte sie weiter. Seit nun fast drei Jahren. Mit ihren Rezepten bekam sie eine Reichweite, die sie seither nutzt, um die Menschen zu gesunder Ernährung zu inspirieren. Doch nicht nur zum Essen. Auch zur Bewegung. Wie zum Schwimmen.

Das Freibad Hollern- Twielenfleth ist ihre Wohlfühloase, ihr Lieblingsort. 

Wer Annabella auf Instagram folgt, sieht sie oft vor einem gelben Turm stehen. Dem Drei-Meter-Sprungturm im Freibad direkt an der Elbe in Hollern-Twielenfleth. Neben den Stullen ist das Freibad ihr zweites Markenzeichen, ihr Gewand. Hier zeigt sie sich gerne. Nicht nur einmal hat sie die Bademeister überredet, sie vor Beginn der Frühschwimmerzeit reinzulassen, um diesen magischen Moment zu erleben. Vor zwei Jahren sprang sie um 4.30 Uhr mit aufgehender Sonne — der Himmel orange und gold — und Kleid vom Drei-Meter-Brett. „Alle hielten mich für ein bisschen gaga. Aber es war einer der schönsten Sonnenaufgänge meines Lebens.“ Dokumentiert von ihrem Handy, entstand daraus ein sogenanntes Reel, ein Video, das ihre Follower besonders gerne gesehen haben. 

Heute gibt es keine Sprünge. Heute bekommen sie ein Brot geschmiert. Während Annabellas Kinder mit Freunden im Wasser planschen, montiert Annabella ihr Handy-Stativ auf eine der bunten Freibadbänke am Beckenrand. Rot und grün und blau sind die Holzbretter und geben damit einen tollen Hintergrund ab. In ihrer Schwimmbad-Tasche hat sie  neben Badeanzug und Badehandtuch auch einen Brotlaib, eine Gurke, Blaubeeren, Himbeeren, Hummus, Pflücksalat, Aprikosen und Aceto Balsamico. Alles wird neben dem großen Holzbrett drapiert. Leidenschaftlich  schmiert sie den Hummus auf die Stullen, dann wird belegt. Das Handy zeichnet alles auf. Annabella wird die Aufnahmen abends bearbeiten und für ihre Community hochladen.

„Die Stulle der Woche kommt heute direkt aus dem schönsten Freibad der Welt.“ 

So steht es jetzt bei Instagram. Im Freibad ist die Mama mit ihren Kindern auf der Nachbarbank ganz erfreut, als die Altländerin ihnen im Anschluss ein Brot nach dem anderen schenkt. Und Annabella ist ganz erfreut, als die Kinder alles verputzen. Alles. Auch den Salat. Und den Hummus. Kinder glücklich. Annabella glücklich. Doppelt glücklich, denn die Mama erkundigt sich nach Annabellas Kochbuch. „Brot&Stulle“ heißt es. „Probiert aus und seid kreativ“, steht da im Vorwort. Es ist kein Hexenwerk. Und die Zutaten dienen eher als Inspirationsquelle, die Mengenangaben sind variabel. Es ist keine Anleitung, eher ein Serviervorschlag. 85 Rezepte hat sie zusammengeschrieben. Allesamt mit Brot. Am Liebsten isst die 51-Jährige selbstgebackenes — oder  das von Bäcker Dietz. Letzterer ist übrigens ein großer Fan von Annabella. 

Wer Annabella auf Instagram folgt, sieht sie oft in ihrem Gemüsegarten und im Hühnerstall. Hier fühlt sie sich wohl. Hier bekommt sie viele Zutaten für ihre Rezepte. Zuhause werden ihre Stullen auch sehr gerne gegessen. Von ihren Kindern und ihrem Mann (der übrigens kein Instagram hat, ihr Buch aber „super und mega cool“ findet). Im Hause Hogg heißen die Stullen aber einfach Brotteller. Keiner isst alles, aber alle finden etwas, das sie mögen. 

„Ich esse super gerne Brot, aber eigentlich bin ich eher der Müsli-Typ“, erzählt die Chirurgin. 

Doch irgendwie wurde daraus so ein Ding. Jede Woche präsentiert sie auf Instagram ihre „Stulle der Woche“. Schön angerichtet, auf Omas vererbtem Holzbrett und schönem Porzellan. Ihre Follower bekommen auch mal eine Quiche oder einen Salat. Aber wer Annabella will, will eben originelle Stullen. Und die kriegt er oder sie zuverlässig serviert. Regional, saisonal, gesund.

Annabella ist wie eine gute Freundin. Sie lacht herzlich und oft. Hat eine so liebevolle, warme Art. Sie will keinen bevormunden, vielmehr überzeugen. Sie zeigt gerne schöne Dinge. Gute Küche. Einen gesunden Lifestyle. Doch wie in wohl fast jeder Familie gibt es bei ihr das Butterbrot auch mal mit Nutella.

Text: Mona Adams · Fotos: Volker Schimkus