Die Baustellen der Banker

DIE WIRTSCHAFTSSTORY: MICHAEL SENF & JAN SCHUBACK
Vorstände der Sparkasse Stade-Altes Land

Wer zehn Millionen Euro in eine Sanierung investiert, muss damit leben, dass auch das eigene Vorstandsbüro zeitweise zur Baustelle wird – so wie das gesamte Obergeschoss der Sparkasse Stade-Altes Land am Pferdemarkt in Stade. „Willkommen auf dem Bau“, sagt der Vorstandsvorsitzende Michael Senf, der das DEICHLUST-Team zwischen Kabeln, Werkzeugen und offenen Wänden empfängt. Eigentlich wollten wir mit ihm und seinem neuen Vorstandskollegen Jan Schuback über die wirtschaftliche Lage der Region sprechen. Tatsächlich ging es vor allem um die Baustelle – und zwar nicht nur im wörtlichen, sondern auch im übertragenen Sinne. Denn der Umbau der Sparkasse findet auch in den Köpfen statt. Ein spannender Prozess.

Operation am offenen Herzen

Die Sanierung des in die Jahre gekommenen Sparkassengebäudes läuft im laufenden Betrieb. Der Bau stammt aus einer Zeit, in der Architektur noch den Anspruch hatte, die Seriosität eines Finanzinstituts zu verkörpern. Heute ist er schlicht nicht mehr zeitgemäß – baulich wie inhaltlich. „Wir sind im Wandel und haben viele Baustellen“, sagt Michael Senf, der das Kreditinstitut seit drei Jahren als Vorstandschef führt – und es bereits acht Jahre zuvor als Vorstandsmitglied gut kannte.

Eine Baustelle ist sichtbar: der Umbau. Nötig vor allem wegen veränderter Rahmenbedingungen, unter denen die rund 350 Beschäftigten heute arbeiten. Ein Beispiel: „Das Bargeldgeschäft hat sich um gut 30 Prozent reduziert“, sagt Jan Schuback, seit dem 1. April offiziell zweiter Mann im Vorstand. Ein Eigengewächs der Sparkasse – und ein Altländer, der seine Karriere 1995 bei der damaligen Altländer Sparkasse begann.

Wandel der Arbeitswelt

Online-Banking ist nur ein Ausdruck des Wandels. Die Kundenfrequenz in Filialen ist rapide gesunken. Die einst repräsentative Schalterhalle – früher Statussymbol – wird schlicht nicht mehr gebraucht. Hinzu kommen neue technische Anforderungen sowie veränderte Arbeitsbedingungen. Homeoffice ist seit der Pandemie keine Ausnahme mehr. Die Folge: Nicht jeder Mitarbeitende benötigt einen festen Arbeitsplatz – weniger Raum wird gebraucht.

„Das sind die pragmatischen Gründe“, so Senf. Doch es geht um mehr. „Wir befinden uns mitten in einem Kulturwandel. Wir alle in der Sparkasse müssen neu denken.“ Das Schlagwort: New Work – eine Philosophie, die Arbeit flexibler, selbstbestimmter und sinnstiftender gestalten will. Inspiriert vom Philosophen Frithjof Bergmann, der bereits im vergangenen Jahrhundert die Lohnarbeit hinterfragte, setzt sich diese Haltung zunehmend durch: Arbeit soll nicht nur Broterwerb sein, sondern dem Menschen dienen.

„Wir befinden uns in einem Transformationsprozess mit alternativen Arbeitsformen – weg von der Fremdbestimmung, hin zu mehr Selbstverantwortung“, erklärt Schuback. Oder wie er es pragmatisch ausdrückt: „Wir müssen raus aus der Behördenwelt.“

Neue Führungskultur, neue Regeln

„Wenn wir als Arbeitgeber attraktiv sein wollen, müssen wir auch attraktive Arbeitsplätze bieten“, sagt Senf. Künftig wird es für die meisten Beschäftigten keine eigenen Schreibtische mehr geben. Wer kommt, loggt sich digital ein – und kann den Platz bis zu einer Woche nutzen. Persönliche Gegenstände wie Plüschtiere oder Blumen auf dem Tisch? Bald Geschichte. Senf geht mit gutem Beispiel voran: „Das ist mein Arbeitsplatz“, sagt er und schwenkt sein iPad. Ein eigener Raum mit Namensschild? Nicht mehr vorgesehen. Auch Standortwechsel gehören künftig zum Alltag – etwa in eine der neun Filialen.

Zum Kulturwandel gehört auch ein neues Miteinander. Das „Du“ ist inzwischen Standard. In einer Umfrage sprachen sich über 80 Prozent der Belegschaft für die Abschaffung des förmlichen „Sie“ aus. Wer dennoch lieber gesiezt wird, darf das in Anspruch nehmen – doch das nutzen nur wenige. Auch der Dresscode ist gelockert: Krawatte und dunkler Anzug sind passé. Zum Journalistengespräch erschien Michael Senf in weißen Sneakers. Schuback ergänzt: „Reputation kommt nicht von Sternen auf den Schultern.“ Auch klassische Hierarchien werden abgebaut.

Das neue Leitmotiv der Sparkasse lautet:

„Wir verbinden Fortschritt und Menschlichkeit. Leidenschaftlich für Generationen.“

Michael Senf

Mit dieser Haltung sieht sich der Vorstand gut aufgestellt. „Unsere Sparkasse steht wirtschaftlich stabil da“, so Senf. Die Mitarbeiterzahl sei konstant – auch wenn es zunehmend schwerfalle, geeignetes Personal zu finden. Der Fachkräftemangel sei ein weiterer Treiber des Kulturwandels, ergänzt Schuback: „Ein attraktiver Arbeitgeber muss – gerade im Umfeld Hamburg – auch attraktive Bedingungen bieten.“ Die Produkte im Bankensektor seien austauschbar – die Mitarbeitenden nicht. Michael Senf bringt es auf den Punkt: „Wir wollen eine coole Sparkasse sein.“

Der Umbau in Zahlen

Die Sanierung des Sparkassen-Headquarters am Pferdemarkt in Stade ist mit rund zehn Millionen Euro veranschlagt. „Aber es wäre falsch zu glauben, wir bauen hier einen Palast“, betont Michael Senf. Der Großteil der Investitionen fließt in die unsichtbare Technik – etwa Strom, Wasser, Klima, Heizung, Brandschutz und Elektronik. Ein Highlight: Die Berater werden künftig in bis zu 36 Sprachen mit Kunden kommunizieren können. Derzeit sind vor allem die oberen Etagen vom Umbau betroffen. Die neuen Räume werden bald bezogen. Mitte nächsten Jahres folgt dann der Umbau von Erd- und Kellergeschoss – diesmal spürbar für die Kundschaft. Während dieser Phase wird das benachbarte Zeughaus (ebenfalls im Besitz der Sparkasse) in den Betrieb integriert. Die Bauzeit wird mit bis zu 18 Monaten kalkuliert, Baustart im 2. Quartal 2026, Fertigstellung voraussichtlich im 2. Halbjahr 2027.

Deichlust

Text: Wolfgang Stephan · Fotos: Volker Schimkus