Das Leben des Sören Behrmann zwischen Autos und Fußball
„Ich bin rundum glücklich“ – wenn das ein Fußballer drei Jahre nach dem Ende der aktiven Karriere sagt, klingt das ein wenig nach Wunschdenken. Vor allem, wenn das einer sagt, der den Fußball mit jeder Faser seines Körpers lebte, und der für den Fußball gelebt hat. Dem sie beim Abschied einen Legendenstatus angeheftet haben. Doch kann ein Fußballer glücklich sein ohne Ball am Fuß? Sören Behrmann sieht sich im Glück. Trotz 50-60-Stunden-Woche, trotz wenig Urlaub, trotz vieler Stunden auf den Straßen im Norden. Weil er immer noch einen Traum lebt. Seinen Traum. Auch mit Fußball.
„Mut, Entschlossenheit, Individualismus und Dynamik“. Tugenden, mit denen sich Sören Behrmann in seinen 17.440 Minuten auf dem Platz im Trikot des heutigen Regionalligisten SV Drochtersen/Assel in die Herzen der Zuschauer gespielt hat. Natürlich würde er sich so nicht beschreiben. Bescheidenheit ist eine Zier, und bescheiden war der jetzt 34-Jährige im Fußball-Leben schon immer. Aber es gibt für Sören Behrmann auch noch ein zweites Leben.
Und da muss er über diese Tugenden reden: „Mut, Entschlossenheit, Individualismus und Dynamik“ – Kernwerte die dem Cupra Formentor zugeschrieben werden. Es trifft sich gut, dass die spanische Automarke der erste offizielle Mobilitätspartner des FC Barcelona ist. Fußball und Autos. Das Leben des Sören Behrmann. So schließt sich der Kreis des gebürtigen Staders, der jetzt Sportdirektor in seinem Heimatverein ist und im Hauptberuf Autos verkauft.
Die Cupras im Autohaus Cordes in Stade. Dass sein Chef Bodo Cordes auch immer einer seiner größten Fans war, gehört zu den besonderen Merkmalen des umtriebigen Fußball-Managers, der auch den mächtigen D/A-Präsidenten Rigo Gooßen als seinen Freund bezeichnet. Obwohl oder gerade, weil der auch sein Chef ist.
220 Spiele absolvierte Sören Behrmann in zuletzt elf Jahren für D/A, bevor er im Sommer 2021 seinen Abschied verkündete.
Als 31-Jähriger eigentlich viel zu früh für einen ambitionierten Fußballer, aber der Körper stand seinen Ambitionen schon immer etwas im Weg. Eine Verletzung dürfte im Rückblick auch eine aktive Profikarriere verhindert haben, denn als junger Fußballer stand der Name Behrmann in vielen Notizen der Scouts von Proficlubs.
Fast hatte es der Drochtersener schon geschafft, der schon mit vier Jahren in der G-Jugend von D/A kickte. Als 16-Jähriger spielte er bereits mit Ausnahmegenehmigung des DFB in der Oberliga, wo er von Thorsten Lieberknecht entdeckt wurde, damals Coach bei Eintracht Braunschweig, heute Bundesligatrainer in Darmstadt. „Ihm hat wohl meine Einstellung gefallen“, glaubt Behrmann heute zu wissen. Doch noch bevor er in die Sphären des richtigen Profifußballs eintauchen konnte, stoppte ein Mittelfußbruch seine großen Pläne von Ruhm, Ehre und Kohle im Profigeschäft. „Damals ist für mich eine Welt zusammengebrochen“, erinnert sich Behrmann. Aus der Traum, für den er als Jugendlicher gelebt und trainiert hatte. Wenn andere sich im Musikladen Heinbockel oder im Ta-Töff in Bremervörde amüsierten, blieb er meist zu Hause. Entweder war er kaputt vom Training, oder er musste sich auf ein Spiel vorbereiten.
Doch die Tränen in Braunschweig hatten auch einen Lerneffekt. „Ich musste mich auf andere Werte besinnen“, sagt er. Den Wert von Familie und Freunden besser zu schätzen. Insbesondere seine Brüder Lars und Kai standen und stehen bis heute eng an seiner Seite, auch seine Eltern Karin und Reiner spielen eine Hauptrolle in seinem Leben, weil sie ihn zu jeder Zeit gefördert, gestützt und gelegentlich aufgefangen haben. Dass er auch in Zeiten des Sieges immer geerdet geblieben ist, verdankt er seinen Eltern.Das Mutter Karin den Fanshop in Drochtersen betreibt, zeigt auch, welche Rolle der Fußball bei den Behrmanns spielt.
Zwei Männer, die sein Leben seither begleiten, nahmen damals auch eine wichtige Rolle ein: Autohaus-Besitzer Bodo Cordes, der ihm eine Ausbildung in seinem Autohaus ermöglichte, und Rigo Gooßen, der dem verletzten Fußballer wieder eine neue fußballerische Heimat gab. Wie Lieberknecht punktete der junge Behrmann auch mit seiner Einstellung bei ihnen. „Mut, Entschlossenheit, Individualismus und Dynamik“. „Leistungssportler sind es gewohnt, sich ehrgeizige Ziele zu setzen“, sagt Bodo Cordes.
Syndemosebandriss, doppelter Nasenbeinbruch und Muskelfaserrisse bremsten ihn zwar als Fußballer, aber nicht als Berater im Autohaus. Einerseits, weil er für sich den Begriff Leistung nie einseitig definiert hat, und andererseits, weil er seinen Förderern beweisen wollte, dass sie auf den Richtigen gesetzt hatten. In der Reha war er einer der Fleißigsten, und mit Krücken saß er oft im Verkaufsraum im Autohaus Cordes. „Ich bin Bodo sehr dankbar, dass er mir damals die Chance für eine Ausbildung gegeben hat, und bin auch ein wenig stolz, dass ich heute so gute Produkte verkaufen kann und darf. Der Cupra Formentor ist derzeit in Europa das meistverkaufte Auto seiner Klasse. Bodo Cordes lobt: „Sören und Cupra passen bestens, für uns ist Sören eine Art Markenbotschafter.“
Dass dies so ist, hängt mit der Entwicklung des Fußballers Behrmann zusammen, dem D/A- Präsident Rigo Gooßen beim Abschied einen „Legendenstatus“ ans Trikot heftete. „Einer, der immer ehrliche Arbeit abgeliefert hat“, so Gooßen. Wobei die Vergangenheitsform nicht mehr richtig ist, denn nach dem Karriereende auf dem Rasen begann die zweite Karriere des Sören Behrmann abseits des Rasens.
Schon als Spieler hatte er seinen Präsidenten fachlich beraten, soweit sich ein Rigo Gooßen fachlich beraten lässt. Folgerichtig bekam er das Angebot, als sportlicher Leiter bei D/A zu wirken, nach drei Jahren hat er sich den Titel als Sportdirektor erarbeitet.
Ganz im Stil des Sören Behrmann, der zwar als Spieler erfahren hat, wie das Geschäft auf der Fußballerseite funktioniert, aber nicht sehr viel vom Management wusste.
Das ließ sich ändern. Nach neun Monaten mit 18 Präsenz-samstagen hatte er die sechs Module eines Intensiv-Lehrgangs eines Online-Studiums abgeschlossen. Bei einem der Experten, der weiß, was heute im Sport-Management gebraucht wird: Bernhard Peters, ehemaligen Hockey-Bundestrainer, Hoffenheim- und HSV-Manager und jetzt Mitbegründer einer Akademie, die das „High Performance Sports Zertifikat“ ausstellt, ein Zeugnis und eine Eintrittskarte für alle, die im Sportmanagement tätig sein wollen.
Wie Sören Behrmann, der sich mit seinem Förderer Rigo Gooßen einig ist, dass D/A eine Identität leben und eine DNA für seine Sportler, Mitglieder, Fans und Sponsoren verkörpern muss. Behrmann: „Wofür wollen wir als Verein oder Verband stehen? – auf diese Frage müssen wir die richtige Antwort geben.“
Wofür steht D/A? „Wir wollen ehrliche Arbeit abliefern, Mentalität auf den Platz bringen, und bei D/A das sagen, was wir auch meinen,“ ist eine Antwort des Managers Behrmann.
Deswegen werden auch nur Spieler oder Trainer verpflichtet oder gehalten, die die DNA von D/A verkörpern. Mut, Entschlossenheit, Individualismus und Dynamik. Sein letzter Coup als Sportdirektor zusammen mit Rigo Gooßen war die Verpflichtung seines ehemaligen Mannschaftskollegen Oliver Ioannou, mit dem er sieben Jahre lang kickte, und den er im Oktober als Nachfolger des zuletzt glücklosen, wenngleich weiter geschätzten Frithjof Hansen verpflichtete. Innerhalb einer Nacht lotsten die beiden den 35-Jährigen, der gerade mal eine Trainerstation in der Victoria Gesmold hatte, zurück nach Drochtersen. Ein Glücksgriff.
Ein Coup, der erfolgreich war, denn mit Ioannou starte die Mannschaft eine Erfolgsserie. Ende März wurde Tabellenführer Hannover 96 im Kehdinger Stadion mit 2:1 geschlagen. Ein Sieg auch für die Herzen. D/A gewann in letzter Sekunde. Weil die Mannschaft gewinnen wollte. Im strömenden Regen auf matschigem Boden wurde bis zuletzt gefightet. Behrmann: „Das ist unser Fußball in Kehdingen.“
Einen 34-Jährigen nach dem größten Erfolg zu fragen, mag ungewöhnlich klingen, bei einemSportler ist es üblich. Zumal Sören Behrmann mit einem Datum antwortet. „18. August 2018“, der Tag, an dem seine Idole nach Drochtersen kamen. Nicht irgendwer und irgendwohin, sondern als Gegenspieler auf dem Rasen. Im DFB-Pokal mussten die Bayern im Kehdinger Stadion spielen. „Wir waren alle schon Tage vorher völlig geflasht“, erinnert sich der Spieler Behrmann, der nie davon geträumt hatte, einmal gegen Robert Lewandowski, Thomas Müller, Frank Ribery oder Manuel Neuer zu spielen. „Vor dem Spiel fühlten wir uns alle wie kleine Kinder“, sagt er, „danach aber waren wir fast auf Augenhöhe.“ Erst zehn Minuten vor Schluss schoss Robert Lewandowski mit einem ganz krummen Ding das goldene Tor. Und weil die Bayern lange zittern mussten, hatte sich D/A viele Sympathien und Respekt erspielt. Dass Weltmeister Mats Hummels nach dem Spiel lange umherirrte, um Sören Behrmann sein Trikot zu schenken, ist eine der Geschichten, die in die Annalen der SV Drochtersen/Assel ihren Platz gefunden hat. „Der schönste Tag meines Lebens“, sagt Sören Behrmann. Ach ja, dass Torjäger Robert Lewandowski direkt neben dem Behrmann-Aufkleber in der Kabine seine Unterschrift mit schwarzem Edding hinterlassen hat, kann heute noch als Anerkennung verbucht werden. Noch.
Denn demnächst wird die Kabine ganz verschwunden sei, denn bei D/A wird kräftig investiert. In die Trainingsbedingungen, die sportmedizinischen Rahmenbedingungen und in ein neues Vereinshaus. Ein neuer Mannschaftsbus mit Schriftzug ist schon jetzt Ausdruck der Entwicklung, deren Ende nicht absehbar ist. Vielleicht doch 3. Liga. „Wenn der Unfall eines Aufstiegs passiert, müssen wir vorbereitet sein“, sagt er. Er könnte es auch anders sagen: „Setzte dir Ziele. Keine Grenzen.“ Auch ein Slogan aus der Cupra-Werbung.
Text: Wolfgang Stephan · Fotos: Volker Schimkus