Foto: Schimkus
Constantin Hancken mit Durchblick. Der Sohn vertritt die dritte Generation in der Stader Klinik.

Ein neuer Strahlemann – wenn der Vater mit dem Sohne…

Text:  Wolfgang Stephan · Fotos: Volker Schimkus

Es gibt vieles, was Väter und Söhne gemeinsam machen können. Wenn sie es überhaupt wollen, denn weniger als zehn Prozent der Männer sind mit ihrem Vater wirklich befreundet und betrachten die Beziehung als eng und befriedigend, schreibt der Psychologe Alexander Rubenbauer im „Psychologie Journal“. Unter den zehn Prozent finden sich zwei Stader, die ihre Gemeinsamkeit gefunden haben und sich seit über einem halben Jahr jeden Tag begegnen. Wie in alten Zeiten. Sohn Constantin und Vater Christoph führen ein Unternehmen mit 500 Beschäftigten: Die Klinik Dr. Hancken, in der jetzt Sohn Constantin in der vierten Generation mit an der Spitze steht. In einer spannenden Zeit, denn in der Radiologie und Onkologie werden einerseits die größten medizinischen Fortschritte verzeichnet, gleichzeitig wird die Krankenhausreform des Gesundheitsministers die medizinische Versorgung vor Ort verändern.

Auf den ersten Blick ist das eine naheliegende Entscheidung. Die Großeltern und Eltern führen eine erfolgreiche Klinik und die Kinder steigen irgendwann mit ein. „Ich wollte nie Arzt werden“, sagt Con-
stantin Hancken, der sich auch nie von den Eltern gedrängt fühlte, die Familienbande weiter zu knüpfen. Zumal es noch die Schwester Caroline gibt, die  gerade ihre Facharztausbildung abschließt und in zwei Jahren als Radiologin in der Klinik in Stade mitmischen wird.

Wegen fehlender amtlicher Statistiken schätzt das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn die Anzahl der Unternehmen in Deutschland, die vor der Übergabe stehen, auf etwa 150.000 mit rund 2,4 Millionen Beschäftigten. Aber nur etwa die Hälfte der Unternehmen findet die Nachfolger in der Familie.

„Ich war völlig frei in meinen Entscheidungen“,
sagt Constantin Hancken, 

der in Stade aufgewachsen ist und am Athenaeum die Hochschulreife erlangte. Der bekannte Name Hancken habe in seiner Jugend keine besondere Rolle gespielt. Dass er jetzt mit 33 Jahren den Weg zurück eingeschlagen habe, sei aber ein folgenrichtiger Prozess gewesen, denn letztlich lief das Studium genau in diese Richtung. Ein klassisches Betriebswirtschaftsstudium mit Abschluss Master und dann eine weitere Spezialisierung als Gesundheitsökonom – die Grundlage für Manager im Gesundheitswesen. Weiteres Rüstzeug erarbeitete sich Constantin Hancken in einer auf das Gesundheitswesen spezialisierten Unternehmensberatung, in der er in vielen Kliniken in der ganzen Republik verschiedene Prozesse begleitet hat, von Sanierungsprogrammen über Personalentwicklung bis zu Businessplänen.

Nach fünfeinhalb Jahren glaubte er, genug Erfahrung gesammelt zu haben, um den dann doch naheliegenden Weg einzuschlagen: ins Familien-Unternehmen nach Stade. Dass er gleich im Management als Mit-Geschäftsführer benannt wurde, sei angesichts seiner Ausbildung keine Bevorzugung als Sohn gewesen. „Wenn die einen Experten gesucht hätten, wäre einer wie ich gekommen“, sagt er zu dieser Komponente. Kompetenz von außen ins Unternehmen bringen, das sei angesichts der Komplexität der Probleme im Gesundheitsbereich ein wichtiger Faktor. Dass er sich als kompetent sieht, sagt er nicht ausdrücklich. So etwas sagen die Hanckens nicht. Aber jeder kann es spüren.

Wobei der 33-Jährige keinen Hehl daraus macht, dass er in der angenehmen Lage ist, den Vater als Mentor zu sehen, auch weil der ihm im Management auf Augenhöhe und nicht im Vater-Sohn-Verhältnis begegne. Für den Psychologieprofessor Arist von Schlippe, der an der Hochschule Witten-Herdecke forscht und  lehrt,  ist das die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge: „Die Trennung der unternehmerischen von der familiären Ebene ist das Hauptproblem.“  „Wir können das tatsächlich gut trennen“, sagen Vater und Sohn gleichermaßen. Wobei Sohn Constantin aber unumwunden zugibt: „Ich frage meinen Vater gerne und oft um Rat, denn seine Erfahrung ist ein unschätzbarer Wert in unserer Klinik.“ Umgekehrt musste er dem Vater bisher noch keine fachliche Antwort geben. Wenngleich er sicher ist, dass dieser Tag kommen werde. 

In der Geschäftsführung ist der Jung-Manager für die strategische Ausrichtung zuständig, wie auch für den IT-Bereich, das Controlling und die Kommunikation. Viele Faktoren habe er im Studium erlernt und in den diversen Stationen als Unternehmensberater erfahren, nur eines nicht: „Wir dürfen nie den Spirit in einem Familienunternehmen vergessen, denn das ist neben allem medizinischen und technischen Know-how unser größtes Kapital.“ Er ist sich sicher: „Die Klinik hat in unserer Familie immer eine Hauptrolle gespielt und das wird auch in Zukunft so bleiben.“ Übrigens: Beim Umgang mit den Beschäftigten fährt der Gesundheitsökonom einen professionellen Kurs: „Klar, verbindlich, freundlich.“ Wer mit ihm aus früheren Jahren per Du war, ist es weiterhin.

Beim Blick in die Zukunft spielt nicht nur die medizinisch-technische Entwicklung eine Rolle, auch die Politik wird die Krankenhauslandschaft verändern. Gesundheitsminister Karl Lauterbach will mit seiner Reform weniger und dafür bessere Kliniken. „Kleine Kliniken ohne Spezialisierung werden langfristig nicht überleben“, sagt Constantin Hancken.  Deswegen wird in seinem Unternehmen auch in den stationären Bereich investiert, für rund 1,5 Millionen Euro hat das Land Niedersachsen das bisher von der Polizei genutzte ehemalige Schwesternwohnheim gegenüber der Klinik gekauft. Der Neubau – ein Bettenhaus mit 50 Plätzen – soll in gut drei Jahren fertig sein. Dass der Vater den Bau noch managen werde, um erst dann aus dem operativen Geschäft auszusteigen, sei besonders angenehm. Bauen gehöre nicht zum Erfahrungsschatz des jungen Managers.

„Dieser Neubau ist auch eine Investition in die Zukunft“, sagt Constantin Hancken, denn die Klinik müsse sich vergrößern, um die gestiegenen Patientenzahlen zu bewältigen und den hohen Standard der ambulanten und stationären Versorgung von Krebspatienten in Stade weiterhin zu gewährleisten. Gerade in der Onkologie seien die Entwicklungssprünge gewaltig. Patienten mit einer Tumorerkrankung, sogar in fortgeschrittenen Stadien, könnten heute deutlich länger leben als vor zehn oder zwanzig Jahren, außerdem seien viele Krebsarten inzwischen heilbar, wenn sie rechtzeitig erkannt würden. Aus diesem Betrachtungswinkel bekomme der Ruf einer Krebsklinik eine ganz neue Bedeutung. Der Begriff stimme ohnehin nicht mehr, denn über 80 Prozent der Patienten in der Radiologie hätten keinerlei Tumorerkrankungen.

Die Zukunft: Dem technisch-medizinischen Fortschritt in der Klinik Dr. Hancken den notwendigen Rahmen geben, die Patienten im Mittelpunkt sehen und dennoch wirtschaftlich arbeiten, um die medizinische Versorgung und die Arbeitsplätze der Beschäftigten langfristig zu sichern – das könnte die Arbeitsplatzbeschreibung des jungen Klinikmanagers sein, der auch ganz im Sinne der Familientradition keinen Hehl daraus macht, dass er sich der Bedeutung dieser Aufgabe – gleichermaßen mit Demut und Willensstärke – bewusst ist. Die Hürde hat sein Vater Christoph hoch gelegt: „Wir werden weiter in der Champions League spielen.“

Die Geschichte der Klinik Hancken

Die Klinik Dr. Hancken hatte ihre Geburtsstunde 1919, als Dr. Wilhelm Hancken in Stade als Landarzt begann. Seine Praxisausstattung bestand zuerst nur aus einem Arztkoffer, Geburtszange und Fahrrad. Sieben Jahre später gründete er in der Harsefelder Straße 8 ein Röntgen- und Lichtinstitut mit einem ersten Kombigerät für Röntgen-Diagnostik und Strahlentherapie. Gleich nach dem Krieg bekam er eine Konzession für den Betrieb einer Acht-Betten-Klinik und führte 1954 als erster Arzt in Niedersachsen die Diagnostik und Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen mit Isotopen ein. Nach seinem Tod übernahm Dr. Gerd Hancken 1957 die Klinik, seine Ehefrau Lore wurde erste kaufmännische Leiterin und nach der GmbH-Gründung auch Geschäftsführerin. Der erste Computertomograph der Elbe-Weser-Region wurde 1976 in der Klinik Dr. Hancken installiert, und 1982 wurden zum ersten Mal Strahlentherapien mit einem Linearbeschleuniger durchgeführt. Als eine von zwei Kliniken in Norddeutschland wurde in der Hancken-Klinik 1988 ein Magnetresonanztomograph (MRT) in Betrieb genommen. 

1993 trat Dr. Christoph Hancken als Radiologe in das Unternehmen ein, am 1. April 1994 übernahm er als geschäftsführender Gesellschafter die Leitung. Christoph Hancken setzte Mitte der Neunzigerjahre eine Vision fort, die sein Vater 1957 in Stade mit dem städtischen Krankenhaus begann: Eine Kooperation von privatwirtschaftlichen und kommunalen Instituten sowie ambulanten und stationären Sektoren. Von 1995 bis 2005 eröffnete die Klinik Dr. Hancken radiologische Abteilungen in den Krankenhäusern in Buxtehude, Cuxhaven, Bremervörde, Lilienthal und Stade für die Versorgung von ambulanten und stationären Patienten, später folgte noch Rotenburg als ambulanter Standort. 2006 gab es einen weiteren Meilenstein: Den Start des Mammographie-Screening-Programms für Frauen von 50 bis 69 Jahren in der Elbe-Weser-Region. Das Hancken-Mammobil für die Vorsorgeuntersuchungen ist ein wichtiger Faktor bei der Brustkrebs-Früherkennung in dieser Gegend. 

2011-2013 folgte ein Neubau des Zentrums für Strahlentherapie und Hämato-Onkologie mit dem Einsatz von zwei neuen Linearbeschleunigern. Heute hat die Klinik Dr. Hancken gut 500 Beschäftigte, davon rund 100 Mediziner. Tendenz steigend.