Sie baut den Flieger der Zukunft

AIRBUS-Forschungschefin Nicole Dreyer-Langlet

Ihre Mission ist die Zukunft des Fliegens: Nicole Dreyer-Langlet ist fest davon überzeugt, dass 2035 ein Flugzeug mit Wasserstoffantrieb im Liniendienst sein wird, was als Revolution in der Luftfahrt gewertet wird. Die Wirtschafts-Ingenieurin ist Forschungsleiterin der Airbus Operations GmbH und als Mitglied der Geschäftsführung ranghöchste Frau in der Zivilflugzeugsparte bei Airbus in Deutschland.

„Wir steigen dann ganz selbstverständlich in ein Flugzeug, das mit Wasserstoff angetrieben wird, sodass wir uns keine Gedanken darüber machen müssen, ob Fliegen vertretbar für Umwelt und Klima ist.“

Das ist die Vision der Managerin, die seit 25 Jahren bei Airbus tätig ist – schon im Dualen Studium hat die Halepaghen-Abiturientin aus Buxtehude im Luftfahrtkonzern gearbeitet und alle wichtigen Stationen des Unternehmens durchlaufen, vom Produktmanagement über den Einkauf bis zur Produktion. Seit zweieinhalb Jahren ist sie Forschungsleiterin und seit zwei Jahren Mitglied in der dreiköpfigen Airbus-Geschäftsführung. Ihr Arbeitsauftrag ist klar umrissen: Die Zukunft des Fliegens zu entwickeln. Im Blick hat sie die Entwicklung bis zum Jahr 2050, wobei die Zwischenetappe schon ganz konkret auf der Agenda steht:

„Unser Ziel ist, ab 2035 Flugzeuge in Dienst zu stellen, die grünen Wasserstoff entweder in Brennstoffzellen oder entsprechenden Gasturbinen nutzen und dadurch kein CO2 mehr freisetzen.“

ZEROe ist der Begriff für einen ganz neuen Flugzeugtyp. Rund 13.000 Airbus-Beschäftigte arbeiten weltweit an der Entwicklung der Luftfahrt der Zukunft. Spätestens 2028 soll entschieden werden, wie der neue Flieger aussehen wird. In ersten Studien hatte Airbus schon vor zwei Jahren drei Wasserstoff-Flugzeuge unter der Bezeichnung ZEROe vorgestellt, die hybridelektrisch angetrieben werden, also teils über Brennstoffzellen, teils über Verbrennungstriebwerke. Die bisher bekannten Modelle sehen einerseits wie klassische Verkehrsflugzeuge aus, nur mit längeren, flexibleren Tragflächen, es gibt aber auch ganz futuristische Konzepte mit einer Anordnung von so genannten Pods mit Motorgondeln an den Tragflächen oder einer „Blended-Wing-Karosserie“, die aus der militärischen Luftfahrt kommt, eine Kombination aus Nurflügler und breitem Rumpf. „Entscheidend für das Design ist die Antriebstechnik“, sagt die Ingenieurin. Derzeit konzentriere sich die Forschung auf die einzelnen Technologie-Bausteine. Da gebe es für die Antriebstechnik zwei Varianten: das klassische Triebwerk mit Wasserstoffantrieb oder die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle, die elektrischen Strom generiert, der einen Elektromotor und damit einen Propeller antreibt. Möglicherweise sei auch eine Kombination der beiden Antriebstechniken möglich. Dazu komme als eine der wichtigsten Komponenten der Tank, der völlig neu strukturiert wird, weil er den Wasserstoff mit -253 Grad beinhalten muss. Weil Wasserstoff viermal so viel Volumen hat als das herkömmliche Kerosin, müssen die Tanks der Zukunft entsprechend größer sein, dafür ist Flüssigwasserstoff um zwei Drittel leichter. Die größeren Tanks werden nicht mehr nur in den Tragflächen untergebracht werden können. Zunächst werden die Tanks aus Metall sein, später möglicherweise auch aus CFK. An dieser Technik forscht zum Beispiel der Standort Stade, hier hat man jahrzehntelange Erfahrung mit Verbundwerkstoffen. In drei Jahren werden die neuen Antriebstechniken auch in der Luft getestet.

„Wir rüsten einen A380 zu einem Forschungsflieger um, der mit einem zusätzlichen Triebwerk im Heck ausgestattet wird, das 2026 mit einer Brennstoffzelle betrieben wird. Dabei geht es darum zu testen, wie Tank, Brennstoffzellen und das Triebwerk miteinander arbeiten. Wenn wir die perfekte Konstellation gefunden haben, wird festgelegt, wie das Design der Flieger sein wird.“

Erstmals werde bei der Forschung auch bereits die Produktion – und damit auch die Produktion in der Airbus Aerostructures-Tochtergesellschaft – mit in die Prozesse einbezogen, um frühzeitig zu erkunden, welche Folgen die verschiedenen Flugzeug-Varianten für die Produktion haben werden. Dazu gehörten Untersuchung der ergometrischen Anforderungen in der Produktion, aber auch logistische Fragen für den Transport der Bauteile. Nicole Dreyer-Langlet spricht von einer „riesengroßen Herausforderung für alle Beschäftigten“. Auch die Infrastruktur, sprich die Anforderungen für die Versorgung am Boden, müsse weltweit neu aufgestellt werden, um die neuen Flugzeuge mit grünem Wasserstoff zu versorgen. Bevor am Ende dieses Projektes ein grünes Flugzeug mit Wasserstoffantrieb am Himmel sein soll, gibt es kurz- und mittelfristig Maßnahmen, die die Umweltbelastungen verringern sollen. Dabei stehe die Frage im Mittelpunkt, wie das Fliegen effektiver gestaltet werden kann. Würden alle Airlines nur noch mit den A320neo-Jets fliegen, wäre das Fliegen um 20 bis 25 Prozent effektiver. Weil das nur eine theoretische Komponente ist, gehe es um viele Einzelmaßnahmen aus „dem großen Blumenstrauß, den wir haben, um klimaneutrales Fliegen zu ermöglichen“, sagt die Forschungs-Chefin. Die Umrüstung der gesamten Airbus-Flotte mit den so genannten Sharklets an den Flügen sei eine Maßnahme, der Antrieb mit alternativen Treibstoffen eine andere. Treibstoffe aus alten Pflanzen- und Speiseölen werden schon jetzt zum Kerosin beigemischt. Noch sei das eine freiwillige Maßnahme der Fluggesellschaften, aber ab 2030 müssen nach einem Beschluss der EU zehn Prozent Bio- oder synthetische Kraftstoffe beigemischt werden, um die CO2-Emissionen zu senken. Eine interessante Komponente auf dem gemeinsamen Weg sei zudem eine Optimierung von Flugplänen, den Abläufen auf den Flughäfen oder der Flüge selbst.

„Wir haben in unseren Versuchen mit zwei A350-Fliegern über dem Atlantik festgestellt, dass bei einem Flug im Windschatten rund fünf Prozent Treibstoff eingespart werden können, wir können also von Wildgänsen lernen.“

Grundsätzlich sieht sich Nicole Dreyer-Langlet bei den Forschungen im Sinne der Klimaneutralität im Zeitplan. Auch, weil sich bei Airbus die Probleme mit dem Nachwuchs in Grenzen halten. 140 Absolventen bei den neuen Dualen Studiengängen wurden diese Woche begrüßt, darunter ein Drittel Frauen – ein Anteil, der bei allen Neueinstellungen bei Airbus erreicht wird. Apropos: Spürt sie als Frau im täglichen Alltag noch irgendwelche Diskriminierungen?

„Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass Frauen mehr leisten müssen. Die Zeiten, in denen ich als Frau unterschätzt wurde, sind längst vorbei, einen Cappuccino hat schon lange niemand mehr bei mir bestellt.“

Deichlust

Text: Wolfgang Stephan · Fotos: Airbus