„Meistens hinken wir der Zeit hinterher“ – das war eine der Botschaften von Steinkirchens Pastor Olaf Prigge in der Christvesper am Heilig Abend. Stimmungsvoll war es in der vollen Kirche, die diesmal nur ein Ausweichort war, denn der Regen verhinderte den traditionellen Open Air-Gottesdienst und die Krippenwanderung rund um den Kirchplatz.
Die Engel, Hirten und die drei Weisen zogen deshalb vor den Altar. Ein Engel verkündete: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“
Passend zum diesjährigen Weihnachtsfest zitierte Olaf Prigge den Theologen und Widerstandskämpfer gegen das Hitler-Regime Dietrich Bonhoeffer: „Es gibt ein erfülltes Leben trotz unerfüllter Wünsche.“ Lesen Sie die Predigt in Kurzform.
Die Predigt von Olaf Prigge bei der Christvesper in Kurzform.
Es begab sich aber zu der Zeit. So hören wir es mit den ersten Worten unserer Weihnachtsgeschichte. Unweigerlich kommen uns die vertrauten Bilder vor Augen mit Maria, Joseph, den Hirten und Engeln. Doch – so können wir uns fragen, finden wir nun auch die Zeit, dieses Geschehen in uns aufzunehmen? Sind wir mit dem Herzen dabei? Können wir dem Kind unsere Freude entgegenbringen und die weihnachtliche Botschaft annehmen?
Zeit haben. Zeit finden. In der Regel fehlt uns eher die Zeit. Meistens hinken wir der Zeit hinterher. Von den Medien her sind wir es nicht anders gewohnt. Und da sind die Erwartungen, die uns leiten, oft auch verleiten. Vorhaben, Aufgaben, Forderungen, die uns in Bann halten. Spannungen, die uns unter Druck setzen. Leere, die wir aushalten müssen.
Mit unserer Weihnachtserzählung tut sich uns noch eine ganz andere Zeit auf. Sie will uns eher herausführen aus den reißenden Strom unserer Zeit und uns das andere spüren lassen, die Zeit des Ewigen.
Die Biblischen Leitverse für heute Abend sagen es uns noch deutlicher: Als aber die Zeit erfüllt war. Und da wird uns knapp und nüchtern erzählt, um was es Weihnachten eigentlich geht: Wie Gott seinen Sohn zu uns auf Erden schickte, von einer Frau geboren. Dass wir, die unter dem Gesetz waren, die Kindschaft empfangen, und dass die, die sagen können, Abba lieber Vater, zu seinem Erben werden.
Als aber die Zeit erfüllt war, kann auch heißen: Es reicht. Es ist genug. Das Maß ist voll. Die Zeit ist erfüllt. Die Zeit ist reif. Für etwas anderes. Für das, was jetzt dran ist, was über dem ist.Und dann schickt Gott seinen Sohn, weil die Zeit reif ist und weil es reicht. Auch mit der Hektik und den treibenden Sorgen auf der Welt.
Bekanntlich hat alles seine Zeit. Wachsen und gedeihen. Advent und Weihnachten. Das Abschiednehmen vom Jahr, wie vom Leben. Und das Kinderkriegen. So auch wird die Zeit nun reif für Jesus. In stiller Nacht kommt er zur Welt. Doch er kommt nicht, um eine kleine Familie heilig und glücklich zu machen, sondern um die Menschen zu erlösen. Um sie freizumachen von ihrer Knechtschaft, wie es weiter in unseren Worten heißt und damit wir zu Gotteskinder werden.
Knechtschaft. Das ist gewiss nicht mehr ein Wort unserer Zeit. Und wer auch möchte sich gern als Kind anreden lassen? Und doch haben diese Begriffe mit uns zu tun. Denn eben die treibende Zeit versetzt uns in diese Knechtschaft, mit ihr all die Dinge, worauf wir keinen Einfluß haben. Kriege, Migranten, Klima, Inflation.
Diese Dinge machen uns klein, machen Angst, lassen uns verbittern oder verführen dazu, sich selbstgerecht über andere zu erheben. Wer mag da noch sagen, er sei frei? Nein, nicht frei, eng ist es in unserer Zeit geworden! Sie bedrückt, macht uns einsam. Da will man denn lieber für sich sein. Da findet man noch schwer einen Zugang zum anderen. Da entzündet sich sogar mancher Streit, zumal in dieser Zeit, wo wir doch mit Weihnachten ein Fest des Friedens feiern wollen.
Doch, darum geht es in dieser Nacht: Gott kennt diese Enge, kennt das Dunkel. Daher kommt er mitten in der Nacht. Er kommt in Jesus in unsere Welt, um uns von alldem zu erlösen.
All das, was mich da einengt und mich treibt, kann und soll ich beiseitelegen, mir die Zeit nehmen und auf ihn schauen. Mich mit ihm freuen, auch wenn ich mitten im Stall allein dasitze. Es gibt ein erfülltes Leben trotz unerfüllter Wünsche, sagte einst Dietrich Bonhoeffer.
Denn wir sind ja auch Gottes Erben. Wir haben von ihm eine große Erbschaft erhalten. Diese besteht aber nicht in Geld, sondern in Liebe, in dem, was wir für andere tun und dem, was wir lassen.
Insofern tun wir gut daran, die Dinge einfach so zu nehmen, wie sie sich in dieser Zeit auftun.
Jesus wird geboren. Sein Kindsein und sein Menschsein machen uns Menschen alle zu einer großen Familie. So sind wir denn auch alle Kinder Gottes. Wenn wir Gott anreden mit Abba, was so viel hießt, wie Vater, dann setzten wir uns in einem persönlichen Verhältnis zu ihm. Dann kommt auch er uns persönlich nah, gibt unserem Herzen den tragenden Grund, den wir so dringend benötigen, um im Leben stehen zu können und uns daran zu erfreuen.
Genaugenommen feiern wir Weihnachten nicht nur die Geburt Jesu. Es geht um unsere Geburt. Wir selbst werden neu geboren. Gott hat seine Ewigkeit einem jedem von uns ins Herz gelegt.
Die Frage ist nur, nehmen wir diesen Schatz in uns wahr? Schenken wir ihm genügend Zeit und Raum? Nehmen wir uns einander an, so wie er uns angenommen hat?
Gott nimmt sich die Zeit. Mag auch manches nicht nach unserem Plan laufen, der Augenblick kommt gewiss, wo die Zeit ihr volles Maß annimmt. Wenn nicht jetzt, doch dann, wenn wir nachher beisammen sitzen am Tisch und uns entspannen vom Tun und Müssen. Dann, wenn unsere Herzen weit werden, wir für andere vorbehaltlos da sind und gute Worte und Gedanken finden. Dann können wir es uns in der Tat sagen, die Zeit ist erfüllt. Dann ist genug mit Stress und Traurigkeit. Genug mit Zukunftsangst und Leid in der Welt. Dann ist sie einfach nur da, die Fülle der Zeit – Gottes leuchtende Ewigkeit, mit der er jetzt schon in unseren Herzen auf uns wartet! Amen
Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.